Agitation und Propaganda

Eine Studie des Kosovo-Zentrum für Sicherheitsstudien untersucht die Einflussnahme Russlands in dem Land und in der Region. Die alten kommunistischen Kontakte spielen dabei genauso eine Rolle wie die Desinformation. Eine Zusammenfassung von Rainhard Kloucek

Dass Russland auf dem Balkan versucht politischen Einfluss zu nehmen ist eine altbekannte Weisheit. Vor mehr als 100 Jahren war diese Einflussnahme Moskaus wohl einer der vielen Gründe, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges geführt haben. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte Russland nicht die Kraft seine alten geopolitischen Spiele intensiv weiterzutreiben. Mit Vladimir Putin ist aber nun seit 17 Jahren ein Mann an der obersten Machtspitze Russlands, der gezielt und mit allen möglichen Mitteln versucht, die Einflussphäre Moskaus in Europa auszudehnen. Während der aktive Eingriff Russlands im Kaukasus, in Zentralasien, in Georgien und in der Ukraine auch durch militärisches Engagement dokumentiert ist, liest man kaum etwas über die Aktivitäten des eurasischen Landes auf dem Balkan, also direkt vor der Haustür Österreichs. Bekannt ist, dass Moskau unter anderem über die orthodoxe Kirche enge Beziehungen nach Belgrad pflegt. Nur kurz Schlagzeilen machte ein – Gott sei Dank missglücktes – Attentat russischer Agenten im Wahlkampf in Montenegro.

Ein hochrangiger Politiker eines südosteuropäischen Landes meinte einmal in einem Hintergrundgespräch zu den Einflüssen nichteuropäischer Mächte in seiner Region: Die Einflussnahme der Türkei wird meist überschätzt, die Einflussnahme Russlands völlig unterschätzt. Genau dieser Einflussnahme Moskaus konkret im Kosovo widmet sich eine im September publizierte Studie des renommierten „Kosovar Centre for Security Studies“ (Kosovo-Zentrum für Sicherheitsstudien) KCSS. Russland hat die Unabhängigkeit des Kosovo bisher nicht anerkannt. Bürger des Landes können nicht in die Russische Föderation einreisen, umgekehrt aber verfolgt der Kosovo eine liberale Visapolitik, sodass Bürger der Russischen Föderation ohne weitere Hindernisse in den Kosovo einreisen können. Wie die Studie ausführt, war im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme von Einreisen russischer Bürger festzustellen.

Schwachpunkt in der Politik der EU

Nach der Annexion der Krim (auch die Ukraine hat die Selbständigkeit des Kosovo bisher nicht anerkannt) hat sich die Regierung in Prishtina den Maßnahmen der EU gegen das Regime in Moskau angeschlossen, allerdings werden die Maßnahmen von EU-Seite nicht mit Prishtina abgestimmt. Die Studie bezeichnet das als einen der Schwachpunkte der EU-Politik, die unter anderem auf die Uneinigkeit der EU-Länder (die Unabhängigkeit des Kosovo ist noch immer nicht von allen EU-Ländern anerkannt) zurückzuführen ist. Demnach versucht die Politik Moskaus mit der Einflussnahme im Kosovo Trümpfe für das strategische Spiel gegen Europa in die Hand zu bekommen. Die Studie des KCSS spricht hier von einem trojanischen Pferd Moskaus in jenen Ländern der EU, die den Kosovo nicht anerkannt haben. So könne Russland unter anderem Uneinigkeit in der EU säen.

Die historisch enge Beziehung über die orthodoxe Kirche von Moskau nach Belgrad ist nach wie vor intakt und aktiv, sie hat auch in der Zeit der kommunistischen Regime weiter bestanden. Über diese Schiene gibt es auch eine Verbindung zu den Serben im Kosovo. Insbesondere die Geldflüsse in die orthodoxen Kircheneinrichtungen im Kosovo über diese orthodoxen Verbindungen sind unklar. So verweist die Studie auf eine direkte Initiative des Moskauer Patriarchen Kyrill im Jahr 2012, um Geld für die serbisch-orthodoxe Kirche im Kosovo aufzustellen. Die orthodoxen Klöster am Amselfeld waren auch einer der Hebel Moskaus, um die Aufnahme des Kosovo in die UNESCO – bisher erfolgreich – zu torpedieren. Diese Aufnahme des Kosovo würde eine Bedrohung für die orthodoxen Klöster darstellen.

Getarnte Militärbasis Russlands in Serbien

Eine Schlüsselrolle der russischen Einflussnahme auf dem Balkan spielt laut der Studie nach wie vor Serbien bzw. die serbische Volksgruppe in anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Von strategischer Bedeutung sind dabei wirtschaftliche Investitionen wie beispielsweise in die Nafne Industrija Srbije NIS, aber auch in der Republika Srpska (die ein eigenes Büro in Moskau unterhält) im Nachbarland Bosnien-Herzegowina. Dazu kommt der militärische Aspekt. Unter dem Titel eines humanitären Zentrums betreibt Russland eine Militärbasis in der serbischen Stadt Nis, die nur 100 Kilometer von Prishtina entfernt liegt. Die Studie bezeichnet die Militärbasis als direkte Bedrohung der Sicherheit des Kosovo, die ein Gegengewicht zur Präsenz der KFOR-Friedenstruppen im Kosovo darstellt. Das sogenannte humanitäre Zentrum dient Moskau als Basis für alle möglichen Aktivitäten und Geheimdienstoperationen in der gesamten Region.

Zu diesen Aktivitäten gehören auch – so wie in den Ländern der EU – Desinformationskampagnen, die vor allem über die bekannten „Medien“ Sputnik und Russia Today geführt werden. Eines der Hauptziele sei es, den Kosovo als gescheiterten Staat und damit als Hort der Instabilität in der Region schlecht zu machen. Nicht zu unterschätzen sind demnach die alten kommunistischen Kontakte, die in der Strategie Moskaus ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen.

Der Regierung des Kosovo empfiehlt die Studie eine enge Zusammenarbeit in der Außenpolitik mit den USA und der EU (im Rahmen des Stabilisierungsabkommen), eine militärische Zusammenarbeit mit den USA, Anstrengungen um das Visa-Regime gegen die Bürger des Kosovo abzubauen, eine Zusammenarbeit mit allen Organisationen der Zivilgesellschaft, vor allem um Bewusstsein gegenüber den russischen Desinformationskampagnen zu schaffen, aber auch einen Dialog mit den Wirtschaftstreibenden, um die möglichen Bedrohungen durch russische Stellvertreter in serbischen Firmen rechtzeitig zu erkennen.