Balkanisierung der EU?

Auf dem Balkan zeichnet sich ein Scheitern der Politik der Europäischen Union ab. Außereuropäische Mächte drängen verstärkt in diese geopolitisch wichtige Region. Die alten sozialistischen Seilschaften drängen zurück an die Macht.

Eine Analyse zur Lage in Südosteuropa vom Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich Rainhard Kloucek

Seit 2003 verspricht die Europäische Union den Ländern des sogenannten Westbalkan den Beitritt. Der Begriff Westbalkan ist EU-Jargon und umfaßt die Länder des ehemal­igen Jugoslawien, ohne Slowenien, plus Albanien. In Öster­reich würde man die Region Südosteuropa nennen. Im EU-Jargon ist mit Südosteuropa San Marino gemeint. Beim Gipfel von Thessaloniki im Jahr 2003 wurde die Beitrittsperspektive für die Länder Südost­europas eröffnet. Man spricht deshalb auch vom Thessaloniki-Prozeß.

Viel passiert ist seither – also in den vergangenen 14 Jahren – nicht. Als bisher einziges Land aus dieser Gruppe konnte Kroatien der EU beitreten. Makedonien hat im Jahr 2005, das ist jetzt immerhin auch schon zwölf Jahre her, den Beitrittskandidatenstatus be­kommen. Seither warten die Makedonen auf ein Datum für den Beginn konkreter Beitrittsverhandlungen. Das aber hat Griechenland bisher erfolgreich verhindert. Das hochkorrupte und längst bankrotte Land hat es sogar geschafft durchzusetzen, daß Makedonien auf der internationalen Bühne seinen eigenen Namen nicht verwenden darf. Stattdessen wird es FYROM (Former Yugoslav Republic of Macedonia, also frühere jugoslawische Republik Makedonien) genannt. Auf Ebene der Europäischen Union fehlt der notwendige Druck auf Griechenland. Man ist zu sehr mit sich selbst und nationalen Egoismen beschäftigt.

Dazu kommt eine Erweiterungsmüdigkeit, die auf allen Ebenen der EU zu merken ist. De facto hat man in den Institutionen vereinbart, daß es in der Legislaturperiode von 2014 bis 2019 keine Fortschritte bei der Erweiterung geben wird. Beim Paneuropa-Kongress 2016 sprachen die Staatspräsidenten der Länder Albanien, Kosovo und Makedonien unter anderem über die Motivation für Reformen durch die Beitrittsperspektive, verliehen aber gleich­zeitig der Enttäuschung Ausdruck, daß es von EU-Seite keine weiteren Schritte gibt. Der makedonische Staatspräsident Gjorge Ivanov fürchtete sogar, daß es nun anstatt zu einer Europäisierung des Balkans zu ­einer Balkanisierung der EU kommen werde. (Siehe dazu auch die Dokumentation der Reden der drei Staatspräsidenten in „Paneuropa Österreich“ 1/2017.)

Nach wie vor ist der Balkan eine geopolitisch brisante Region, in der in Europa mehrere außereuropäische Mächte versuchen ihren Einfluß auszudehnen. Die USA haben mit ihrem Eingreifen in die Balkan-Kriege des Slobodan Milosevic zur Herstellung einer Nach-Jugoslawien-Ordnung beigetragen. Ihre Präsenz ist in der Region nicht zu übersehen. Wer beispielsweise die gigantische Anlage für die neue US-Botschaft in Pristhina, der Hauptstadt des Kosovo, als Beispiel nimmt, kann die Dimension des amerikanischen Auftrittes erahnen. Der Einfluß auf die Innenpolitik einzelner Länder ist ebenfalls dokumentiert. Offen ist, wie weit die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump hier einen Rückzug macht.

Nicht zu übersehen ist der Einfluß der Türkei. Das Land am Bosporus war in der Region über Jahrhunderte als Kolonialmacht aktiv. So manche Moschee wurde mit Geld aus Ankara bezahlt, türkische Unternehmen sind an der Infrastruktur beteiligt (beispielsweise am Flughafen in Pristhina) und sind auch sonst ein gern gesehener Investor. Geschickt nutzt die Türkei die Schwäche der EU und schafft im Bildungsbereich und auch im medizinischen Sektor Angebote für die Länder. Die Bürger des Kosovo beispiels­weise brauchen für die EU nach wie vor ein Visum, für die Türkei aber nicht.

Rußland ist vermehrt aktiv am Balkan

Seit Vladimir Putin Rußland wieder zu einer militärisch aktiven Großmacht macht, werden die Ambitionen Moskaus am Balkan wieder deutlich sichtbar. Ein traditioneller Verbündeter ist Serbien, wo Rußland in Nis eine große Militärbasis unterhält. Als vor zwei Jahren in Tetovo (Makedonien) eine kriminelle Bande über mehrere Tage der Polizei eine Schlacht lieferte, munkelten manche, daß hier Moskau seine Finger im Spiel hatte. Offensichtlich streckt Rußland seine Fühler ganz intensiv nach Makedonien aus. Vor einigen Wochen kam aus Moskau die Meldung, wonach die EU und die USA Makedonien destabilisieren würden. Bei einem Gespräch im Kosovo mit einem hochrangigen Regierungs­vertreter meinte dieser, angesprochen auf die Einflüsse außereuropäischer Mächte in der Region: „Der Einfluß der Türkei wird überschätzt, die Einflußnahme von Rußland aber wird unterschätzt.“

Die EU dagegen scheint ohne konkrete Strategie in der Region zu agieren. Der jüngste Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in den Ländern des Westbalkan verlief ­freundlich, aber ohne konkrete Ergebnisse. Nach mehreren Jahren, in denen unter anderem die Politik der EU stabilisierend auf die Region gewirkt hat, ist in jüngster Zeit wieder eine verstärkte Unruhe zu bemerken. Zum Teil ist das auf die Auswirkungen der Politik der EU bzw. einiger Mitgliedsländer der EU zurückzuführen.

Der Kosovo beispielsweise ist nach wie vor nicht von allen Ländern der EU anerkannt. Zudem hat man dem Land unnötig hohe bürokratische Hürden für eine Beendigung des Visa-Regimes aufgebürdet. Die Verhaftung des früheren Kosovo-Ministerpräsidenten (und ehemaligen UCK-Kommandanten) Ramush Haradinaj durch die französ­ische Polizei, dient nicht unbe­dingt der Beruhigung der Lage. Der Verhaftung erfolgte aufgrund eines serbischen Haftbefehls aus dem Jahr 2004. 2008 hat sich der Kosovo für unabhängig erklärt. Haradinaj war davor vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt gewesen, er trat nach kurzer Zeit als Ministerpräsident zurück, stellte sich in Den Haag und wurde schließlich freigesprochen.

Die Verhaftung des früheren Ministerpräsidenten des Kosovo Ramush Haradinaj in Frankreich (aufgrund eines alten serbischen Haftbefehls) bringt zusätzliche Unruhe in die Region. Dem Kriegsverbrechertribunal hatte sich Haradinaj freiwillig gestellt. Er wurde freigesprochen. Das Bild zeigt eine Demonstration von Kosovaren in Wien, vor der französischen Botschaft.

Die Verhaftung des früheren Ministerpräsidenten des Kosovo Ramush Haradinaj in Frankreich (aufgrund eines alten serbischen Haftbefehls) bringt zusätzliche Unruhe in die Region. Dem Kriegsverbrechertribunal hatte sich Haradinaj freiwillig gestellt. Er wurde freigesprochen. Das Bild zeigt eine Demonstration von Kosovaren in Wien, vor der französischen Botschaft.

Für Bosnien-Herzegowina hat zwar der Vertrag von Dayton den Frieden gebracht, seither aber verharrt das Land in einer er­starrten Reformunfähigkeit. Für die lokalen Politiker gibt es keine Motivation, irgendetwas am geltenden System zu ändern. Aus der EU fließen massive Finanzhilfen in den Staat, die aber an keinerlei Umsetzung von notwendigen Reformen gebunden sind. Laut Vertrag besteht das Land aus zwei Einheiten – der Republica Srpska und der Föderation aus Bosnien und der Herzegowina –, praktisch ist es aber unter den drei Volksgruppen der Serben, Kroaten und Bosniaken aufgeteilt. Unter diesen Volksgruppen werden in einem Proporzsystem alle polit­ischen und administrativen Posten aufgeteilt. Wie eine Diplomatin des Landes in einem persönlichen Gespräch berichtet, wird dieser Proporz wieder wichtiger, viel öfter als in den vergangenen Jahren werde nach der Volkszugehörigkeit gefragt. Die Abspaltungstendenzen der Serben und der Einfluß Belgrads sind bekannt, und gehören zu den bestimmenden Unruhefaktoren. Mittlerweile dürfte auch die kroatische Regierung wieder verstärkt die kroatische Volksgruppe für ihren Einfluß nutzen. Länder wie Deutschland und Österreich sind für die Bewohner des Land­es nach wie vor sehr attraktiv. Wer es sich leisten kann besucht einen Deutsch-Kurs, in der Hoffnung, mit guten Sprachkenntnissen eine Arbeit in Österreich oder Deutschland zu finden.

Brisant ist die Lage in Makedonien. Die Wahlen Ende des Vorjahres brachten zwar eine Mehrheit für die bisher regierende VMRO-DPMNE, allerdings kamen der Partei von Ministerpräsident Nikola Gruevski die Koalitionspartner abhanden. Staatspräsident Ivanov gehört der gleichen Partei an. Er weigerte sich Anfang März eine Regierungskoalition aus Sozialisten und einigen alban­ischen Parteien anzu­e­rkennen. Die Regierung Gruev­ski gilt als eindeutig pro-europäisch. Sie kam durch die Veröffentlichung von Abhörprotokollen des Geheimdienstes unter Druck. Gruevski soll die Bespitzelung angeordnet haben. Belastend waren aber die veröffentlichten Protokolle für seine eigene Regierung, nicht für die sozialist­ische Opposition. Einige Balkan-Experten vermuten deshalb auch alte Geheimdienstseilschaften hinter der Aktion. Diese alten jugoslawischen Seilschaften sind eher den Sozialisten zuzurechnen.

Makedonien beschloß unter anderem ein Gesetz, wonach die Namen von Mitarbeitern des früheren Geheimdienstes veröffentlicht werden sollen. Als dann der Name eines führenden Vertreters der Soros-Stiftungen auf diesen Listen stand, machten die USA und die EU Druck auf Makedonien, dieses Gesetz wieder zurückzunehmen. Makedonien folgte dem Druck.

Falsche Interventionen von EU und USA

Die EU intervenierte dann für die Abhaltung von Neuwahlen, es wurde eine technische Regierung installiert. Die Wahl hätte bereits im Frühjahr 2016 stattfinden sollen, wurde aber dann auf Dezember verschoben. Offenbar wollten die EU bzw. Mitgliedsländer der EU einen Wechsel der Regierung herbeiführen. So berichtet ein deutscher Makedonien-Kenner, daß die deutsche Botschaft in Skopje in Berlin für eine Verschiebung der Wahl eintrat. Mit der Begründung: noch seien die Sozialisten nicht entsprechend aufgestellt, um die Wahl gewinnen zu können.

In Makedonien droht die zwischen den Sozialisten und den albanischen Parteien ausgehandelte Einführung von Albanisch als zweite Amtssprache im ganzen Land den Ausgleich zwischen den Volksgruppen zu gefährden. Staatspräsident Gjorge Ivanov hat sich deshalb geweigert, diese Regierungskoalition anzuerkennen.

In Makedonien droht die zwischen den Sozialisten und den albanischen Parteien ausgehandelte Einführung von Albanisch als zweite Amtssprache im ganzen Land den Ausgleich zwischen den Volksgruppen zu gefährden. Staatspräsident Gjorge Ivanov hat sich deshalb geweigert, diese Regierungskoalition anzuerkennen.Die Schließung der Balkanroute

Als der öster­reichische Außenminister Sebastian Kurz im Wahlkampf für die VMRO-DPMNE auftrat (die makedon­ische Regierung war ein äußerst wichtiger Partner für die Schließung der Balkan-Route), wurde er dafür in mehreren Kommentaren heftig kritisiert, unter anderem mit der Behauptung, er würde hier die europä­ischen Werte verraten. Während des Wahlkampfes wurde in mehreren Medien in EU-Ländern das Gerücht lanciert, Gruevski sei ein Mann Moskaus. Konkrete Belege dafür blieb man schuldig. Die derzeitige Politik der EU (hier ist insbesondere die Kommission zu nennen) gegenüber Makedonien und die klare Einflußnahme für einen Wechsel zu einer sozialist­ischen Regierung, könnte aber tatsächlich Teile der makedon­ischen Politik in die Arme Moskaus treiben.

Zu Beginn dieses Jahres, bereits nach dem Amtsantritt von Donald Trump, wurde aus den USA die Idee lanciert, Makedonien zu teilen. Der slawische Teil des Landes sollte zu Bulgarien kommen, der albanische Teil zu Albanien oder dem Kosovo. Albanien trägt ein hohes Maß an Mitschuld an der derzeitigen Lage in Makedonien. Die Regierung von Nikola Gruevski war eine Koalition der VMRO-DPMNE mit einer albanischen Partei. Nach Interventionen des albanischen Ministerpräsident­en Edi Rama wechselten die alb­anischen Parteien auf die Seite der Sozialisten. Als Preis für den Wechsel mußten die Sozialisten versprechen, Albanisch als zweite Amtssprache in Makedonien einzuführen. Die Balance zwischen den beiden Volksgruppen hat im Laufe der Zeit immer wieder Spannungen erfahren. Mit dem Abkommen von Ohrid wurde im Jahr 2001 eine Vereinbarung über die Repräsentation der albanischen Volksgruppe im Land getroffen. Die Koalitionsvereinbarung mit den Sozialisten würde die damit getroffene Balance massiv durcheinanderbringen und von der makedonischen Bevölkerung nicht akzeptiert werden. Das ist auch ein Grund für die Weigerung von Staats­präsident Gjorge Ivanov, diese Regierung nicht anzuerkennen.

Fragliche Geschäfte in Albanien

In Albanien ist seit Wochen die EU-Kommission selbst unter Druck. Grund dafür ist ein Immobiliengeschäft, das von der Leiterin des Kommissionsbüros in Tirana, der kroatischen Sozialistin Romana Vlahutin zu verantworten ist. Demnach wurde in einer noblen Gegend der alban­ischen Hauptstadt Tirana namens Rolling Hills eine Residenz zu einem weit überhöhten Preis angeschafft. Werden in der Gegend normalerweise um die 2.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bezahlt, ließ sich die EU-Kommission die Residenz mehr als 4.700 Euro pro Quadratmeter kosten. Die deutsche Europaparlament­arierin Ingeborg Grässle ging den Vorwürfen mit einer Anfrage an die Kommission nach. In der Antwort der Kommission argumentiert diese mit einer größeren Nutzfläche als in der Anfrage angegeben. Damit wäre der Quadratmeterpreis deutlich niedriger. Offenbar wurde aber hier die Gartenfläche mit einberechnet, was nicht den lokalen Gegebenheiten bei der Preisgestaltung entspricht.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei ihrem jüngsten Besuch in Albanien mit dem albanischen Premierminister Edi Rama. In Tirana ist die EU-Kommission aufgrund eines Immobilienkaufs mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Rama, ein Mann der alten sozialistischen Seilschaften, hat mit seiner Instrumentalisierung der albanischen Parteien in Makedonien zu einer Destabilisierung des Nachbarlandes beigetragen. In Albanien selbst ist während seiner Regierungszeit der Hanfanbau zu einem lukrativen Geschäft geworden GENT SHKULLAKU / AFP

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei ihrem jüngsten Besuch in Albanien mit dem albanischen Premierminister Edi Rama. In Tirana ist die EU-Kommission aufgrund eines Immobilienkaufs mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Rama, ein Mann der alten sozialistischen Seilschaften, hat mit seiner Instrumentalisierung der albanischen Parteien in Makedonien zu einer Destabilisierung des Nachbarlandes beigetragen. In Albanien selbst ist während seiner Regierungszeit der Hanfanbau zu einem lukrativen Geschäft geworden
GENT SHKULLAKU / AFP

Ein weiteres Problem in Albanien ist die de facto Legalisierung des Haschisch-Anbaus durch die sozialistische Regierung von Edi Rama. So kam es zu der absurden Situation, daß Unternehmen, die Arbeitskräfte gesucht haben, die offenen Stellen nicht besetzen konnten, weil sich die Leute lieber mit dem Anbau von Hanf beschäftigen. Während das Problem in Albanien und in der Region durchaus bekannt ist, wird es in den Me­dien in den EU-Ländern kaum thematisiert. Über diesen Geschäftszweig sammle die Regierung gigantische Geldsummen, um damit in der für dieses Jahr anstehenden Wahl Stimmen zu kaufen.

Die OSZE (in der Österreich im Jahr 2017 den Vorsitz führt) – sie unterhält in Albanien ein Büro mit zirka 80 hochbezahlten Mitarbeitern – beschäftigt sich mit dem Thema auf wissenschaftlicher Ebene. Sie läßt eine Studie erstellen, die untersuchen soll, warum die Albaner in so großem Stil Hanf anbauen. Am Ende, so meinte ein Gesprächspartner, könnte herauskommen, daß die Albaner deshalb Hanf anbauen, weil sie damit sehr schnell sehr viel Geld verdienen können. Diesen Schluß dürfe man auch ohne teure wissenschaftliche Untersuchung ziehen. Zudem hat der Leiter des OSZE-Büros in Tirana Bernd Borchard einen eigenartigen Rückzieher gemacht. Nachdem er in einem Fernsehinterview davon sprach, daß aus dem Cannabis-Geschäft rund zwei Milliarden Euro für den Stimmenkauf für die kommende Wahl erwirtschaftet wurden, revidierte er diese Aussagen 24 Stunden später bei einem Gespräch mit dem Innenminister, und erklärte, dies be­treffe nicht die jetzige Regierung, sondern die Vorgängerregierung.

Neben einer Justizreform hat der EU-Rat im Dezember des Vorjahres die Bekämpfung des Drogenanbaus und die Entflechtung von Politik und organisierter Kriminalität zur Vorbedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gemacht. Insgesamt wurden fünf Prioritäten aufgelistet, die von Albanien umgesetzt werden müssen, bevor es (vielleicht im Jahr 2018) zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen kommen kann. In einem Artikel in der „Tirana Times“ vom März ver­gleicht Genc Pollo, Präsident der Paneuropa-Union Albanien und Abgeordneter der Opposition, die Politik rund um diese Reformen mit den Matryoskas (das sind jene russ­ischen Puppen, wo in jeder Puppe noch eine kleinere Puppe enthalten ist), also einem undurchsichtigen Spiel. Im Gegensatz zu den fünf Prioritäten spricht Premierminister Rama nur von der Justizreform als Vorbedingung von Beitrittsverhandlungen. Vlahutin, die Vertreterin der EU-Kommission in Tirana, unterstützt ihn demnach in dieser Position.

Eine EU-Kommission, die sich Vorwürfen von eigenartigen Immobiliengeschäften ausgesetzt sieht, dürfte hier nicht der glaubwürdigste Vertreter für eine Reform Richtung Rechtsstaat sein. Dazu kommen Vorwürfe, daß auch in dieser Frage von der internationalen Gemeinschaft, ähnlich wie in Makedonien, eine einseitige Parteinahme für die Sozialisten erfolgt. So schreiben mehrere US-Senatoren in einem Brief an den neuen US-Außenminister Rex Tillerson über die Einflußnahme der US-Diplomatie in Zusammenarbeit mit der Soros-Stiftung „Open Society“ (die auch vom US-Steuerzahler sowie von der EU-Kommission Subventionen bekommt) bei der Justizreform. Dabei stellen sie die Vermutung an, daß über die von den Experten von Open Society verfaßte Strategie dem Premierminister und den links der Mitte stehenden Kräfte die Macht über die Justiz gesichert werden soll. Dies könnte zur Destabilisierung eines Nato-Landes führen, in dem die Regierungskorruption wieder zunehme, ebenso wie der Drogenhandel.

Seit Wochen gibt es Blockaden und Proteste der Opposition. Im Juni stehen Wahlen an. Die Opposition fordert einen Rücktritt der Regierung und die Ein­setzung eines Übergangs­kabinetts, um so faire Wahlen vorbereiten zu können. Die Vorgangsweise hat man sich offenbar in Makedonien abgeschaut. Dort hatte die EU auf die Ein­setzung einer solchen Übergangsregierung bestanden. Sie wurde auch eingesetzt. Bei Albanien fehlt eine entsprechende Willenskundgebung durch die Kommission. In Makedonien hat eine nichtsozialistische Partei regiert, in Albanien regieren die alten Sozialisten.

Photos: Paneuropa Archiv und Europäische Union