70 Jahre Schuman Erklärung

Mit der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 wurde der Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt. Von Carlos Uriarte Sánchez.

In der Zwischenkriegszeit schrieb Richard Coudenhove-Kalergi sein Buch „Paneuropa“, in dem er bereits die Schaffung der sogenannten Vereinigten Staaten von Europa vorschlug. 1926 fand in Wien der erste Paneuropa-Kongress statt. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden die Bestrebungen zur europäischen Einigung unterbrochen. Die Paneuropa-Union hat aber die Prinzipien ihres Gründers und dann seines Nachfolgers an der Paneuropa-Spitze Otto von Habsburg im Kampf gegen den Nationalsozialismus und Kommunismus weiter vertreten. Dazu gehört auch die Schaffung eines geeinten Europa auf der Grundlage von Werten.

Am 9. Mai 1950 veröffentlichte der aus Lothringen stammende französische Außenminister Robert Schuman seine historische Erklärung, die als Geburtsurkunde der Europäischen Union gilt. Schuman selbst sagte: „Meine politische Philosophie ist der Realismus ohne Ideologie.“ Deshalb war er auch bestrebt, andere in diese noble Aufgabe einzubinden. In Deutschland war das der frühere Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der von den Nazis verfolgt wurde, und der zu dieser Zeit bereits oft „der Alte“ genannt wurde. In Italien war es Alcide de Gaspari, der seine politische Karriere schon im Reichsrat in Wien begonnen hatte. Schuman war klar, dass er selbst das Ziel nicht mehr erreichen würde. Alle drei Männer waren dafür bekannt, dass sie mit ihrer Politik in die Zukunft blickten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der alte Traum eines geeinten und versöhnten Europa dringlich. So wurde aus der Notwendigkeit eine Tugend. Bereits 1946 begannen die drei Politiker, alle drei Christdemokraten, die Fundamente für ein friedliches Europa zu planen. Die Deklaration versuchte die Fehler des Versailler Vertrages nicht zu wiederholen, und rief Frankreich und Deutschland dazu auf, ihre historischen Gegensätze zu überwinden und die Konstruktion eines geeinten Europas anzuführen. Aber wie? Durch „konkrete Tatsachen …, die zunächt eine Solidarität der Tat schaffen.“ In diesem Sinne schlug er vor, „die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen.“

Das sollte der erste Schritt eines ambitionierten und langfristigen Prozesses mit dem Ziel einer Föderation sein. Diese Zusammenarbeit sollte zur Schaffung einer Organisation mit einer Zoll- und Wirtschaftsgemeinschaft führen, die anderen europäischen Ländern offen steht. 1951 führte das zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Paris. Am Anfang stand die Wirtschaft im Mittelpunkt, aber das Projekt hatte einen tieferen Hintergrund: es sollte Friede und Eintracht erreicht werden, durch eine Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern.

Die Schuman Erklärung ist heute aktueller denn je, wenn man an Aussagen wie die folgende denkt: „Der Weltfrieden kann nicht ohne kreative Anstrengungen gesichert werden, die den Gefahren entsprechen, die ihn bedrohen. Der Beitrag, den ein lebendiges und organisiertes Europa für die Zivilisation leisten kann, ist unverzichtbar für dauerhafte friedlliche Beziehungen.“

Im Text der Schuman Erklärung wurden die Grundlagen für jene Politik, die später von der Union aufgegriffen wurden, formuliert. Nämlich eine Politik mit dem Ziel einer Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Welt, wenn beispielsweise davon die Rede ist, dass „die Entwicklung des afrikanischen Kontinents“ eine wichtige Aufgabe werden wird. Wenn von einer Modernisierung der Produktion und einer Verbesserung der Qualität die Rede ist, erinnert uns das an die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprogramme im EU-Budget.

Die Versorgung von Kohle und Stahl zu gleichen Bedingungen erinnert an die europäische Wettbewerbspolitik, oder an die Verbannung von Monopolen und Staatsbeihilfen. Der Aufbau einer gemeinsamen Exportpolitik wie der derzeitigen Handelspolitik, oder die Schaffung von Fonds zur Unterstützung der Rationalisierung der Produktion, erinnern an die Fonds zur Überwindung von Krisen. Die Aufhebung von Zöllen und unterschiedlichen Transporttarifen diente als Grundlage für die Schaffung der Zollunion und war damit eine Voraussetzung für den Binnenmarkt. Hier könnte man noch weitere Parallelen ziehen. Es war ein weitsichtiger Ansatz, durch die Vergemeinschaftung der Kohle- und Stahlproduktion die Grundlage für die jetzige EU zu schaffen.

Heute sind die Bedrohungen, mit denen Europa in einer globalisierten Welt konfrontiert ist, nicht nur eine Frage des Friedens, sondern auch eine Gesundheitsfrage, die durch Covid-19 verursacht wurde, aber genauso beispiellose wirtschaftliche und soziale Herausforderungen. Diese Gefahren können zweifelsohne zu einer Destabilisierung der globalen Sicherheit führen.

In einer solchen Situation ist es notwendiger denn je, dass die Europäische Union geeint und abgestimmt auf jene Herausforderungen reagiert, die uns in den nächsten Jahren bevorstehen. Europa hat sich verändert und ist nicht mehr das Europa der Römischen Verträge von 1957 mit sechs Mitgliedsländern. Heute besteht die Europäische Union aus 27 Mitgliedsländern, weitere Staaten wollen beitreten.

Die gegenwärtige Krise hat gezeigt, dass die Europäische Union, obwohl sie einen komplexen und langsamen Entscheidungsfindungsprozess kennt, Entscheidungen getroffen hat, um eine koordinierte Antwort auf die Krise zu geben (zum Beispiel in der Beschaffung von Schutzausrüstung, oder die Rückholung von Bürgern der EU-Länder, etc.), genauso wie wirtschaftspolitische Entscheidungen mit dem Ziel einer Abschwächung der ökonomischen und sozialen Folgen, sowie zum Wiederaufbau. Genauso hat sie Solidarität gezeigt, indem spezielle Fonds für die Unterstützung anderer Regionen im Kampf gegen Covid-19 geschaffen wurden, wie beispielsweise für die Region Südosteuropa (Westbalkan).

Es ist ein Faktum, dass das europäische Projekt, dessen Grundstein am 9. Mai 1950 gelegt wurde, nicht nur notwendiger denn je ist, sondern auch, dass es, falls es noch nicht existieren würde, erfunden werden müsste.

Carlos Uriarte Sánchez ist Mitglied in der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi, Generalsekretär der Paneuropa-Union Spanien, Professor für Verfassungsrecht an der König Juan Carlos Universität in Madrid.

Die Paneuropabewegung Österreich forderte anlässlich des Europatages 2020 die Union zu verbessern.

Der Beitrag erschien ursprünglich in englischer Sprache auf dem Portal thediplomatinspain.

c Beitragsbild: Europäische Gemeinschaft 1992