Europas Stärke liegt im Bekenntnis zu Recht und Freiheit. Dieser Grundsatz muss wieder gestärkt werden. Paneuropa-Präsident Karl von Habsburg betont die Bedeutung von Recht und Freiheit als Grundelemente der europäischen politischen Kultur.
Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war Weltpolitik gleichzusetzen mit europäischer Politik. Europa hatte eine außerordentlich erfolgreiche Entwicklung hinter sich, die es zur bestimmenden Macht auf dem Globus machte. Betrachtet man die Wurzeln dieser Erfolgsgeschichte, so wird man dort ein Fundament finden, das im Wesentlichen auf den Säulen Rechtsstaatlichkeit und Freiheit beruht. Dazu kommen noch weitere Elemente wie die Bedeutung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft, die zwar vom Staat geschützt aber nicht reguliert wurde. Auf diesem Fundament beruhen weitere Grundpfeiler wie beispielsweise das Privateigentum, die persönliche Haftung für Misserfolg aber auch Erfolg, damit das private Unternehmertum, das auf Innovation setzen musste um erfolgreich zu sein. Die Kombination aus Unternehmergeist, Innovationskraft, Eigenverantwortung hat den Grundstein für den Wohlstand gelegt und damit auch für Staaten, die Weltpolitik betreiben konnten.
Es ist wohl kein Zufall, dass diese Entwicklung in einer Kultur stattgefunden hat, die christlich geprägt ist. Man spricht auch vom jüdisch-christlichen Erbe (in Kombination mit dem römischen Recht und der griechischen Philosophie) als kulturelle Basis für Europas Weg zu seiner Bedeutung.
Grundlage für den Wohlstand
Ein Blick auf die politische und wirtschaftliche Landkarte zeigt, dass diese Grundpfeiler Rechtsstaatlichkeit und Freiheit eine der Voraussetzungen für den Aufstieg auch anderer Länder waren. Die USA haben einen kulturellen Hintergrund, der dem Europas sehr ähnlich ist. Asien hat nach dem Zweiten Weltkrieg schrittweise viele Elemente dieser kulturellen Voraussetzungen übernommen. In anderen Regionen fehlen aber Rechtsstaatlichkeit, Rechtssicherheit und damit auch der Schutz des Privateigentums völlig. Das sind jene Regionen der Welt, in denen es die meisten Probleme gibt.
Rechtsstaatlichkeit bedeutet nun einmal, dass alle an das Recht gebunden sind. Auch die Herrschenden, egal ob Monarchen, Präsidenten, demokratische oder autokratische Regierungen. Ohne Rechtsstaatlichkeit gibt es keine Rechtssicherheit, damit keinen Schutz des Privateigentums und damit keine wirtschaftliche Entwicklung. Russland ist dafür ein gutes Beispiel. Das Land ist reich, nicht nur an Rohstoffen, sondern auch an Oligarchen. Die ziehen es aber vor, das Geld ins Ausland zu bringen, die industrielle Entwicklung des Landes findet nicht wirklich statt.
Diese Betonung des Rechts ist deshalb so wichtig, weil gerade in Europa immer wieder Rufe nach einem Primat der Politik laut werden. Die Politik müsse alles regeln. Je mehr sie das tut, umso tiefer aber wird der Konflikt mit dem Recht, weil nicht mehr rechtsstaatliche Grundsätze regieren, sondern Machtverhältnisse. Dieser Konflikt wirkt sich langfristig zum Schaden Europas aus. Die Politik kann eben nicht alles regeln, das besagt schon der heute gerade in Österreich so gerne zitierte Grundsatz der Subsidiarität. Logischerweise hat die Paneuropabewegung in einer Erklärung auch formuliert: „Subsidiarität verlangt nicht einen Primat der Politik, sondern einen Primat von Recht und Freiheit.“
Und wenn Politik versucht alles zu regeln, schränkt sie Eigeninitiative, Eigenverantwortung und damit die Freiheit immer mehr ein. Das gilt für die Ebene des Nationalstaates genauso wie für die Ebene der Europäischen Union. Denn auch die Staaten Europas verdanken ihre Entwicklung der europäischen Kultur. Es ist deshalb kein Zufall, dass am Beginn des ursprünglichen Ansatzes zur europäischen Einigung, der mit der Paneuropa-Idee von Richard Coudenhove-Kalergi 1922 in Wien seinen Ausgang nahm, das europäische Ideal stand. Coudenhove-Kalergi formulierte es so: „Das europäische Ideal ist Freiheit – die europäische Geschichte ein einziges langsames Ringen um persönliche, geistige, nationale und soziale Freiheit. Europa wird bestehen, solange es diesen Kampf fortsetzt; sobald es dieses Ideal preisgibt und seiner Mission untreu wird, verliert es seine Seele, seinen Sinn, sein Dasein. Dann hat es seine historische Rolle ausgespielt.“
Der Artikel erschien ursprünglich auf der Seite von Karl von Habsburg.
Foto: Katharina Schiffl