Die USA dominieren unser Bild von Politik

Amerikanische Regionalwahlen dominieren die Berichterstattung – und verzerren damit die politische Realität. Ein Kommentar von Stefan Haböck, Internationaler Referent der  Paneuropabewegung Österreich.

House of Cards geht weiter. Ob das nun eine gute Sache ist, soll jeder Zuseher selber beurteilen. Faktum ist, dass nicht nur das geniale Spiel von Kevin Spacey als skrupelloser Politiker Frank Underwood die Zuschauer fesselte. Es ist die US-Politik, die auf Europäer eine Faszination ausübt. Geprägt wird das Bild klarerweise durch die starke kulturelle Beeinflussung, sei es durch Serien, Filme oder Musik und Literatur. Der American Way of Life – und damit auch der American Way of Politics – ist allgegenwärtig. Das wäre ja auch gar nicht problematisch, bei Entertainment sind die Amerikaner führend.

Konzentration auf USA verzerrt politische Realität

Natürlich, die Inszenierung eines US-Präsidenten ist perfekt. Da kann ein Bundespräsident oder Präsident des Rates nicht mithalten. Die Frage ist, ob er das muss. Das darf aber nicht dazu führen, dass sachliche Betrachtung und Analyse zur Fixierung wird und andere Regionen in Europa oder der Welt in den Hintergrund treten.

Wir haben vor zwei Jahren schon kritisiert, dass in der medialen Berichterstattung Wahlen und politische Vorgänge aus europäischen Ländern völlig unzureichend beleuchtet werden. Gebessert hat sich daran wenig. Die Wahl in Schweden wurde aufgrund eines vermuteten „Rechtsruckes“ noch begleitet, von der Wahl in Bosnien-Herzegowina hat man seit Schließung der Wahllokale kaum noch etwas gehört. Die Stabilität des Balkans ist essentiell für Europa. Die Präsidentschaftswahl in Georgien – immerhin ein EU-assoziiertes Land – kam gerade so unter „Was sonst noch passierte“.

Das Wegschauen erklärt auch Unverständnis über gemeinsame Sicherheitspolitik

Die USA sind wirtschaftlich, militärisch, politisch, wissenschaftlich der mächtigste Staat der Erde. Daher ist der Ausgang einer US-Präsidentschaftswahl global gesehen bedeutender, als eine Wahl in Georgien. Nur: Welchen Weg Georgien oder Moldau einschlagen, hat eine direkte Auswirkung auf die EU, nämlich geo- und sicherheitspolitisch. Der Konflikt im Asowschen Meer, wo zwei Staaten mit Kriegsschiffen gegenüberstehen, findet aber ebenso wenig Platz. Baltische und nordische Politiker jeglicher Couleur warnen seit Jahren vor einem Bruch des INF-Vertrages (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty). Es wäre bis heute kein Thema, würde Trump nicht einen Ausstieg thematisieren.

Wir erleben eine massive Polarisierung in Europa

Die EU und das politische System in Europa leiden darunter, dass in einer immer komplexeren Welt viele Entscheidungswege nicht mehr nachvollziehbar sind. Das öffnet Tür und Tor auch für (Des-)Information außereuropäischer Kräfte, denen ein vereintes Europa ein Dorn im Auge ist. Doch viele Vorurteile oder Konflikte resultieren aus Nichtwissen über Entwicklungen in den europäischen Staaten. Das wurde schon in einem Kommentar zu Osteuropa kritisiert. Zum Teil resultiert dieses Nichtwissen aus ungenügender Befassung mit Ost- und Südosteuropa in der Schule, aber auch aus einem Ungleichgewicht in der Berichterstattung.

Als der Kongress der USA das Amt eines Höchstrichters zu besetzen hatte, war dies hierzulande wochenlang Schlagzeile. Die schweren Anschuldigungen gegen den Richterkandidaten sowie dessen Verhalten, machten den Nominierungsvorgang zu einem hoch emotionalen Thema in der (westlichen) Welt. Wer im Supreme Court sitzt, hat jedoch für uns so gut wie keine Auswirkungen.

Wer am EuGH urteilt jedoch sehr wohl. Österreich sucht seit Monaten eine Kandidatin/ einen Kandidaten, für dieses höchste europäische Richteramt. Auf die Titelseite wird es dieses hohe europäische Richteramt aber nie bringen.

Dass jeder Englisch spricht macht es natürlich leichter, bedeutet aber auch, dass es einen enormen Informationsverlust gibt, wenn Journalisten, Politiker oder zu wenige Bürger nicht Russisch oder eine slawische Sprache sprechen. Es bleibt für den Großteil der Österreicher verborgen, was das serbische Staats-TV täglich verlautbart. Fox News, CNN oder die New York Times sind dauerpräsent, aus der Moscow Times wird hierzulande keine Analyse übernommen.

Midterms sind im Grunde inneramerikanische Regionalwahlen

Wer bei den Midterm Elections Gouverneur wird, ist für Europa de iure und de facto irrelevant.  Europäische Fernsehsender werden live vor Ort berichten, seit Wochen liefern sie Analysen, Berichte und Spekulationen in Hülle und Fülle.

„Name dropping“ ersetzt Differenzierung

Es ist eine immer oberflächlichere Betrachtung, die auch Einzug in den täglichen politischen Diskurs findet. Es geht immer weniger um Analysen und Verstehen-wollen von regionalen Unterschieden. Mit „Salvini, Trump, Orban“ gegen „Macron und Merkel“ wird eine hochkomplexe EU-Politik simplifiziert und auf willkürlich „gut – böse“ reduziert. Hier sind auch Politiker und Parteien zu kritisieren, die (klarerweise) auf einfache Botschaften setzen, dabei aber auch diese Polarisierung verstärken.

Dass Orban im Gegensatz zu Macron Kosovo und Mazedonien unterstützt, wird dabei ebenso wenig fein herausgearbeitet wie die Tatsache, dass (das pro-europäische) Litauen den Vorschlag zum Eurozonenbudget ablehnte.

Dass dies nicht nur ein subjektives Gefühl ist, belegt auch eine neue Studie (Analyse der auf Medienbeobachtung spezialisierten APA-Tochter DeFacto), die die mediale Erwähnung in Österreich von Politikern in den vergangenen zwei Jahren untersucht hat. Hier zeigt sich, dass der Präsident der Europäischen Kommission rund 5.000 Mal Erwähnung fand. Putin, der Präsident einer Atommacht an der Grenze zur EU, rund 10.000 Mal. Und ein Donald Trump 44.000 Mal. Auf Platz 2 folgt Bundeskanzler Kurz. Unter anderem finden noch Theresa May (wohl wegen des Brexit) sowie Angela Merkel und Emanuel Macron Platz. Victor Orban schafft es auch noch in die Statistik. Wohl aber eher nicht wegen seiner (völlig unterschiedlichen) Ukraine-, Balkan- oder Türkeipolitik. Die Nachbarländer und starke Wirtschaftspartner Österreichs wie Tschechien und Slowakei spielen keine Rolle.

Angesichts solcher Zahlen muss man daran zweifeln, dass „das Verständnis“ für Europa stärker werden wird. Und da sprechen wir noch gar nicht über Asien – terra incognita für uns Europäer.

Dem Glanz von Hollywood kann man sich einfach zu schwer entziehen.

Fotoquelle Beitragsbild: Multimedia European Parliament | https://multimedia.europarl.europa.eu