Seit 28 Jahren ist Mazedonien nun unabhängig – und wird seit dem ersten Tag in wiedererlangter Freiheit unter Druck gesetzt und mit gebrochenen Versprechen hingehalten. Ein Wunder, dass die Menschen dort noch nicht den Glauben an das vereinte Europa aufgegeben haben. Ein Kommentar von Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropabewegung Österreich.
Macron hat entschieden, seine Antwort lautet „non“. Eines der Lieblingswörter des französischen Präsidenten, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, jede geopolitische Position der EU zu blockieren, solange 27 Staaten nicht seinen Reformideen folgen. Dieses Mal richtete sich das Nein gegen ein Land, das weniger Einwohner hat als Paris.
Doch die Menschen in jenem Land sind dies schon gewohnt, denn der Bestand der unabhängigen Republik Mazedonien ist begleitet von Blockaden, gebrochenen Versprechen und Druck von Außen.
1991 erklärte sich die Sozialistische Republik Mazedonien vom jugoslawischen Völkerkerker unabhängig. Bulgarien war das erste Land, das die junge Republik anerkannte. Griechenland, nicht per se gegen die Unabhängigkeit, protestierte gegen den Namen: Mazedonien könnte mit dem Namen Republik Mazedonien (епублика Македонија, also Makedonija) Ansprüche auf die griechische Region Makedonia erheben. Dieser absurde Vorwurf war ab jenem Zeitpunkt das Fundament einer Dauerblockade des kleines Landes durch seinen größeren Nachbarn. Mazedonien musste sich im internationalen Gebrauch durch das Kürzel F.Y.R.O.M. demütigen lassen – Former Yugoslav Republic of Macedonia. Man stelle sich diese Usance zum Beispiel durch Alliierte für Österreich 1955 vor.
Griechenland, selbst schon seit 1981 bzw. 1952 vollständiges und gut eingebettetes Mitglied mit allen Rechten in der Europäischen Union und dem Verteidigungsbündnis und in Krisenzeiten auf europäische Solidarität pochend, blockierte jeden Versuch Mazedoniens, der EU und der Nato beizutreten. 1994/95 folgte ein wirtschaftliches Embargo. Die Staatengemeinschaft setzte dieser Erpressung durch das größere Land nichts entgegen außer den klassischen Mahnungen, beide Seiten sollen doch eine Lösung finden
Am 12. Juni 2018 schließlich einigten sich die griechische und mazedonische Regierung auf den Vertrag von Prespa, in dem eine Namensänderung des Landes auf Nord-Mazedonien bei gleichzeitiger Aufhebung der Blockade durch Griechenland festgelegt wurde. Das Abkommen ist in Mazedonien und Griechenland höchst umstritten. Viele Kräfte in beiden Ländern befeuerten die Ablehnung, mit knapper Mehrheit ging es aber durch. Der damalige mazedonische Staatspräsident verweigerte seine Zustimmung.
Diese Lösung gab Mazedonien aber berechtigte Hoffnungen, die ab 2003 in Thessaloniki versprochene Eröffnung von Beitrittsverhandlungen zu bekommen. Die Zusage der EU-Staaten stand, die europäischen Institutionen wie Kommission und Parlament sowie Rat haben sich positiv geäußert. Doch dann kam Frankreich und legte, gegen die Position der EU-Kommission, des EU-Parlaments und der 27 anderen Staaten im Rat, Veto ein.
Man muss hier nochmal klar sagen: Beginn von Verhandlungen bedeuten nicht gleich Beitritt. In meist 30 Kapitel werden über viele Jahre (bei Mazedonien mindestens 10 Jahre) hinweg Themen abgearbeitet. Erst bei erfolgreicher Abhandlung aller vorgegebenen Kapitel und Reformen, kann über Beitritt abgestimmt werden. Dies ist der stärkste Hebel für Reformen, den die EU gegenüber den Kandidaten hat.
Als Paneuropa Österreich haben wir das Prespa-Abkommen aus pragmatischer Sicht positiv bewertet. Nur dieses Abkommen konnte die Blockade lösen. Gleichzeitig haben wir Griechenlands Druck und das Schweigen der anderen Staaten gegenüber dieser Erpressung stark kritisiert. Kein Land in der EU würde jemals seinen Namen ändern oder verleugnen. Mazedonien musste es auf Druck von Außen – noch dazu vom Nachbarn – zwei Mal machen. Zuerst im internationalen Gebrauch demütigend auf F.Y.R.O.M, dann auf Nord-Mazedonien. Ergebnis: Keine Verhandlung.
Man fragt sich, welcher Politiker überhaupt noch auf die Idee kommt, sich Gegenwind entgegen zu stellen und zu tun, was er für richtig befindet, wenn das kleine Wörtchen „non“ alles verhindern kann.
Mazedonien ist eine südosteuropäische Region mit einer wechselvollen Geschichte. Ein ethnisch gemischtes Land mit wundervoller Landschaft, freundlichen Menschen und großartiger Kultur. Ohrid, einer der ältesten Städte Europas, soll Heimat von 365 Kirchen sein und gilt als „Jerusalem Europas“. Wie jedes Transformationsland, das den realen Sozialismus abschüttelt, erlebt das Land Krisen. Seien es Korruptionsskandale durch die dominierenden Cliquen, nationalistische Rhetorik, der Angriff durch Terroristen 2001, Blockaden durch den Nachbarn.
Zwei Millionen Mazedonier wissen auch, wie man Kompromisse schließt. Wie, das zeigte nicht nur das Prespa-Abkommen, sondern auch der Friedensschluss zwischen der albanischen Minderheit und den Mazedoniern durch Staatspräsident Boris Trajkovski, der wie kaum ein anderer für Dialog, Inklusion und Aussöhnung stand. Es waren Politiker wie Trajkovski, der den zwei Millionen Menschen die Hoffnung brachte, dass sich Reformen, Dialog und Aussöhnung auf dem Weg nach Europa lohnen. Die Hoffnung, dass das Land Teil des vereinten Europas sein kann. Mit dem rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen System der EU, das Mazedonien endlich den endgültigen Sprung vom Transformationsland bringen soll.
Diese Hoffnung wurde ihnen wieder einmal geraubt.
Das Beitragsbild zeigt einen Blick auf den Ohrid-See, der geologisch älteste See Europas, im Grenzgebiet zwischen Albanien und Mazedonien.