In seiner Heimat steht er unter Druck der Rechts- & Linksextremen, die Mittelschicht ist unzufrieden. Also macht Macron, was alle „guten“ Populisten machen: Er würdigt andere Staaten herab. Binnen weniger Wochen beleidigt der Karlspreisträger mehrere europäische Staaten. Das ist unwürdig, meint Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropabewegung Österreich.
Präsident Macron gab dem Magazin Valeurs Actuelles ein Interview. Darin meinte er, er ziehe legale Migranten aus Guinea oder der Elfenbeinküste den „heimlichen Netzwerken von Bulgaren und Ukrainern“ vor. Eine interessante Aussage jedenfalls, die viel von der Sicht auf die Welt eines französischen Präsidenten offenbart.
Da man meinen sollte, dass in Frankreich, das seine Synagogen, Kirchen und Moscheen mit Militär sichern muss, ganz andere Banden als ukrainische ihr Unwesen treiben, verdient sich die Aussage just über Ukrainer und Bulgaren eine Betrachtung. Das Statement zeigt nämlich zwei Probleme auf, die innerhalb Europas des Öfteren zu massiver Verstimmung führen.
Einerseits die Arroganz des französischen Staatspräsidenten, der zuhause als „Le Jupiter“ bezeichnet wird. Andererseits das völlige Desinteresse und auch die herablassende Behandlung östlicher Staaten durch manch westliche Länder. Von größer/ kleiner soll hier nicht geschrieben werden, denn die Ukraine ist mit rund 625.000 km² größer als Frankreich.
Der Karlspreisträger im Spaltmodus
Die herablassende Art Macrons hat schon im Land für manch Aufregung gesorgt. Doch das müssen die Franzosen für sich entscheiden. Die Art und Weise, wie er europäische Partner in negativen Kontext bringt, ist schon bemerkenswert. Seht her, der kriminelle Osten Europas, scheint er zu sagen. Und will damit ein klares Signal an die politischen Ränder in Frankreich senden. In Umfragen liegt Le Pen voran, der linksextreme Melenchon ist ebenfalls zweistellig. Macron ist nicht beliebt, die Präsidentenwahl gewann er mit der, schon durch Chirac angewandten, Positionierung „Pro-Europäer gegen Rechtsextreme“. Doch mit „Pro-Europäer“ ist es vorbei. Der Karlspreisträger ist im Spaltermodus. Die gesamte Balkanpolitik wird blockiert, solange 27 andere Staaten nicht Frankreichs Ideen folgen.
Das führt uns zu Nummer zwei, dem Desinteresse Frankreichs an einem kooperativen und kompromissbereiten Europa.
Frankreich hat traditionell wenig Verbindung zu Mittel- und Osteuropa. Die koloniale Vergangenheit spielte sich deutlich im Mittelmeerraum, Afrika und dem Nahen Osten ab. In Europa gibt es nur die deutsch-französische Achse. Als großer Staat in Europa fühlt es sich noch immer der Geopolitik „der Großen“ verpflichtet. Macron blüht auf, wenn er gegen Trump antritt, in Russland beim Fußball jubelt und China besucht. Seit neuestem ist Katar, Eigentümer des Fußballclubs Paris Saint-Germain, einer der engen Partner der Grande Nation. Während er nun zum wiederholten Male den chinesischen Staatspräsidenten trifft, fand sich in seiner über zweijährigen Amtszeit noch keine Zeit für Besuch in Polen. Als Grund nannte man die dortige Situation des Rechtsstaates. Im März 2019 sagte Macron, die jungen Leute sollten nicht in Frankreich für Klimaschutz demonstrieren, sondern lieber in Polen.
Erst im Oktober stellte sich der Präsident justament gegen die Europäische Kommission, die 27 anderen Staaten im Rat, das Europäische Parlament und den gesamten mit der Thematik befassten diplomatischen Dienst, als er den Beginn von Gesprächen mit Nord-Mazedonien blockierte. Das kleine Land mit weniger Einwohnern als Paris, hat seinen Landesnamen geändert und sich einer Erpressung durch Griechenland gebeugt, nur um dann aus Paris ein „non“ zu hören. Ein schwerer Schlag für alle reformorientierten Gruppen am Balkan. Ein Experte aus der Region formulierte es so: „10 Jahre Aufbauarbeit von Vertrauen am Balkan hat Frankreich in einer Stunde zunichte gemacht“.
Dass Regierungen auch mal austeilen ist nicht gut, kommt aber vor. In vielen inhaltlichen Fragen sind die Staaten oft unterschiedlicher Meinung.
Populist statt Staatsmann
Die Qualität Europas sollte es jedoch sein, Kompromisse schließen zu können und sich gegenseitig zu achten. Das ist das Erfolgsmodell des vereinten Europas. Ständig anderen (ost-)europäischen Partnern öffentlich zu signalisieren, was man von ihnen hält, ist ein mehr als schlechter Stil und nicht geeignet, die ohnehin schon vorhandene Spaltung zwischen West- und Osteuropa zu überwinden.
Ein Populist tut und sagt jeden Tag das, was ihm Sympathie einbringt. Ein Staatsmann tut und sagt das, was im richtigen Augenblick notwendig ist, auch wenn er dafür Gegenwind bekommt. Macron hätte die Chance gehabt, ein Staatsmann zu werden.
C Beitragsbild: Europäische Union 2019