„Desinformation und Verschwörungsfantasien“ lautete der Titel einer Diskussionsveranstaltung der Paneuropabewegung mit dem Experten Dietmar Pichler, in der die Wirkungsweise von Desinformation etc. besprochen wurde.
Sie fantasierten davon, dass Bill Gates über die Corona-Impfung allen Menschen Chips implantieren werde. Andere fantasierten darüber, dass mit der Impfung die halbe Menschheit ausgerottet und eine neue „Elite“ die Macht übernehmen werde. Noch immer gibt es Leute, die meinen, der russische Vernichtungskrieg gegen die Ukraine sei eine Erfindung der USA. Sie sehen in den Sanktionen gegen das System Putin eine Provokation gegen Moskau und vergessen, dass erst Putins Vernichtungskrieg, der Bruch aller internationalen Vereinbarungen, zu dieser Reaktion des Westens geführt hat.
Gezielt werden aus Moskau über Trollfabriken Falschinformationen gestreut, die über Kreise vom linken bis zum rechten politischen Spektrum Verbreitung finden. Wobei das wahre Ziel von wirklich guten Desinformationskampagnen ist, dass letztlich die Menschen gar nichts mehr glauben. Wer nichts mehr glaubt, also orientierungslos ist, lässt sich dann noch leichter manipulieren und instrumentalisieren.
Wie Desinformation funktioniert, wie man sie enttarnen kann, welche Gefahren dadurch für Demokratie und Freiheit bestehen, war Gegenstand einer Paneuropa-Diskussion unter dem Titel „Desinformation und Verschwörungsfantasien“. Absichtlich wurde statt dem sehr oft gebräuchlichen Begriff Verschwörungstheorie der Begriff Verschwörungsfantasie gewählt. Theorien wurden von Persönlichkeiten wie Albert Einstein und anderen Größen entwickelt. Theorien sind verifizierbar und falsifizierbar. Die Verschwörungsfantasien hingegen entsprechen keiner dieser Kriterien.
Der Experte Dietmar Pichler vom Zentrum für digitale Medienkompetenz versuchte einmal über eine Begriffsdefinition zu klären, mit welchen Phänomenen man hier konfrontiert ist. Bei Desinformation handelt es sich um eine erfundene Nachricht, die verbreitet wird, um Schaden anzurichten. Ein Meister der Desinformation war der frühere KGB (heute FSB), für den auch der jetzige russische Despot Vladimir Putin gearbeitet hat. Moskau beschäftigte bereits ganze Desinformationsbüros und – agenturen. Bei der Misinformation geht es darum, dass unabsichtlich etwas Falsches erzählt wird. Pichler brachte das bekannte Beispiel der stillen Post. Eine Nachricht wird jedes Mal wenn eine Person sie weitererzählt, auch irgendwie verfälscht, sodass ab einer gewissen Verbreitung die ursprüngliche Nachricht (egal ob echte Nachricht oder Gerücht) nicht mehr erkennbar ist.
Wenn Satire als Wahrheit missverstanden wird
Ein mittlerweile auch sehr weit verbreitetes Phänomen ist, dass Satire nicht mehr als das gesehen wird was sie ist, nämlich Satire, sondern als Wahrheit. Auch wenn Desinformation und Misinformation sehr oft gleich gesetzt werden, sind es doch zwei verschiedene Dinge.
Eine eigene Kategorie stellen die Verschwörungsfantasien dar. Hier geht es immer um die große Erzählung, die zur Untermauerung der „Theorie“ verbreitet wird. Im Hintergrund sind es dann immer geheime Mächte und geheime Zirkel, die die Welt steuern. Das reicht von den allseits bekannten Verschwörungsgeschichten antisemitischer Natur bis zu ganz aktuellen Beispielen, wonach beispielsweise Bill Gates mit seiner Unterstützung von Impfprogrammen das eigentliche Ziel verfolgt, allen Menschen einen Chip zu implantieren, über den sie dann – im Sinne der geheimen Macht, die dahinter steht – gesteuert werden können. Eine andere Version dieser Impfgeschichte behauptet, dass eine geheime Elite (und nur die Leute, die voll in die entsprechende Verschwörungsfantasie „eingearbeitet“ sind kennen auch die Namen der entsprechenden Persönlichkeiten) über die Impfung daran arbeitet, die Hälfte der Menschheit auszurotten. Die Corona-Pandemie wird dann zur Plandemie, weil eben in der Fantasie jener, die das alles glauben, alles bereits lange geplant und dann umgesetzt wurde.
Sie meinen im Besitz der vollen Wahrheit zu sein
Menschen, die solchen Fantasien verfallen sind, sehen sich dadurch im Besitz der echten Wahrheit, in der alle Mosaiksteinchen zusammenpassen. Sie leben in einem geschlossenen System. Seriöse Diskussion ist nicht mehr möglich, weil sie auf Argumente gar nicht mehr eingehen können. Wer trotzdem versucht, mit Argumenten dagegen zu halten, belegt für die Hardcoreverschwörer nur ihre These, dass eben alle anderen, die ihre Fantasie nicht teilen, von dieser geheimnisvollen Macht gesteuert werden.
Im Bereich der Desinformation gehört Russland heute zu einem Meister. Wie einst der KGB so arbeiten auch heute in Moskau ganze Komplexe an der Verbreitung von Falschinformationen. In sogenannten Trollfabriken sitzen hochqualifizierte Mitarbeiter, die insbesondere die sogenannten sozialen Netzwerke für ihre Propaganda nutzen. Dazu werden in diesen sozialen Netzwerken Profile angelegt, die beispielsweise suggerieren, dass eine Person aus Österreich hinter dem Profil steckt. Tatsächlich ist es ein Mitarbeiter einer Trollfabrik. Das gefälschte Profil, deren es Tausende gibt, dient nur dazu, Falschinformation gezielt weiterzuverbreiten, um so die öffentliche Meinung in Europa zugunsten Moskaus zu beeinflussen.
Ein Problem in der Bekämpfung von Desinformation sieht Dietmar Pichler vom Zentrum für digitale Medienkompetenz in einer falschen Neutralität. Als Beispiel nannte er eine Diskussionssendung, an der auch Karl von Habsburg teilgenommen hatte. Es ging um den Vernichtungskrieg Moskaus gegen die Ukraine, um die Sanktionen und die atomare Bedrohung. Während drei Diskussionsteilnehmer mit Karl von Habsburg anhand von Fakten über die Lage sprachen, versuchten zwei andere mit anderen Ansätzen, die aber nicht faktenbasiert waren, eine andere Sicht auf die Dinge zu verbreiten.
Ein anderes Beispiel war der Abschuss des Fluges MH17 über der Ostukraine. Sehr schnell wurde anhand der Faktenlage klar, dass russische Söldner den Flieger mit einer aus Russland gelieferten Rakete abgeschossen hatten. Alle Passagiere starben. Moskau produzierte daraufhin eine Vielzahl von falschen Versionen: es war eine ukrainische Rakete, es war ein ukrainischer Jagdbomber, es waren gar keine Menschen an Bord sondern alle Passagiere waren schon Leichen, etc. etc. Das durchschaubare Ziel solcher Erzählungen ist, mit einer Vielzahl von Versionen die einzige wahre Version als auch nur eine mögliche Geschichte darzustellen, und somit von den Fakten abzulenken.
Somit stellt sich die Frage, was man gegen derartige „fake news“ tun kann. Ein wichtiger Punkt ist für Pichler die Überprüfung der Quellen. Also wo kommt eine Nachricht her. Das ist im digitalen Zeitalter sehr schwer, weil sich über Internet Falschnachrichten meist schneller verbreiten als die Fakten.
Was tun gegen die Desinformation?
Ratsam ist auch die Information über den Zeitablauf. Erläutert wurde das anhand der Geschichte, dass sich die Nato – entgegen einem Versprechen – nach Osten ausgedehnt habe, um Russland einzukreisen. Abgesehen davon, dass es diese Versprechen gar nie gegeben hat, sprechen auch vertragliche Grundlagen gegen ein solches Versprechen: die KSZE-Schlussakte, in der die UdSSR bereits die Bündnisfreiheit souveräner Staaten unterschrieben hatte; die Charta von Paris für ein neues Europa aus dem Jahr 1990, in der diese Bündnisfreiheit nochmals festgeschrieben wurde (der Eiserne Vorhang war da schon gefallen); etc. etc. Eine Abmachung zwischen Moskau und Washington, welchen Bündnissen die Länder Mittel- und Osteuropas beitreten dürften wäre also ein Bruch dieser genannten Vereinbarungen und zig anderer gewesen. Und gerade bei Putin muss erwähnt werden, dass Desinformation zum Handwerkszeug des KGB-Offiziers gehört.
c Beitragsbild: Anna Pattermann. Dietmar Pichler (im Bild) links bei der Diskussionsveranstaltung, die von Rainhard Kloucek moderiert wurde.