Eine Botschaft des Paneuropäischen Picknick / A Message from the Paneuropean Picnic

Am 19. August 1989 wurde beim Paneuropäischen Picknick an der österreichisch-ungarischen Grenze das erste Loch in den Eisernen Vorhang gerissen. Es war der Anfang vom Ende der Teilung Europas. Die europäische Einigung wurde dadurch für die Länder Mitteleuropas möglich. Es war aber auch ein klares Signal gegen den russischen Imperialismus. Diese Botschaft scheint bei einigen Ländern heute verloren zu sein. Ein Kommentar von Rainhard Kloucek, Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich.

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19. August 1989 – beim „Paneuropäischen Picknick“ an der österreichisch-ungarischen Grenze fliehen 661 Bürger der früheren DDR in die Freiheit. 

Die Neue Zürcher Zeitung meinte damals, es sei wohl ein Treppenwitz der Geschichte, dass Österreich und Ungarn die Preußen in die Freiheit führe. Das Picknick ist das erste große Loch im Eisernen Vorhang, der nach dem Zweiten Weltkrieg Europa geteilt hat: in den russisch-sowjetisch besetzten Osten und in den freien Westen. Ungarn war das erste Land im damaligen Ostblock, das – in Kenntnis der ökonomischen Lage – beschlossen hatte, den Eisernen Vorhang abzubauen. Seine Reparatur wäre zu teuer gewesen.

Damit war der Weg in das Ende der Teilung Europas vorgezeichnet. Im November 1989 fiel die Berliner Mauer. Das geteilte Deutschland konnte wiedervereinigt werden. Schließlich folgte 1991 die Auflösung des Warschauer Paktes und der Sowjetunion. Die baltischen Staaten konnten ihre Unabhängigkeit, die sie als Folge des Hitler-Stalin Paktes verloren hatten, wieder erlangen. Die Staaten, die ihre Unabhängigkeit von Moskau erreichen konnten suchten den Weg in die NATO, um künftig sicher vor militärischen Angriffen des imperialistischen Russland zu sein, und sie suchten den Weg in die Europäische Union, weil sie Marktwirtschaft statt sozialistischer Planwirtschaft, sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit statt Despotie und Faustrecht anstrebten.

Das Ende der Teilung Europas war aber nicht nur ein Sieg des freien Westens über die Despotie des Ostens, sondern auch ein vorläufiger Sieg über den Moskauer Imperialismus mit seinen großrussischen Ambitionen, egal unter welchem ideologischen Mantel sie propagiert wurden. Russland musste sein Kolonialtruppen aus Mitteleuropa zurückziehen. Dieses Ende der Kolonialherrschaft Russlands über die Hälfte Europas, der Abzug der russischen Soldateska wurde in allen Ländern Mitteleuropas, die nun ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, gefeiert. Ganz besonders auch in jenem Land, das als erstes den Eisernen Vorhang abgebaut hatte, und das sich heute noch stolz an den Aufstand von 1956 gegen die Sowjetunion erinnert.

34 Jahre später ist der russische Imperialismus, der Traum eines Moskauer Despotenregimes von einem neuen russischen Großreich, wieder Realität in Europa. Russische Truppen versuchen gerade jenes westliche Nachbarland zu vernichten, dem der Weg in die EU und in die NATO bisher nicht offen stand. Täglich sterben in der Ukraine Menschen, weil für den Despoten in Moskau das Ende der Sowjetunion die größte geopolitischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts war, und weil dieser Despot mit seinen Propagandisten im imperialistischen Wahn davon träumt Europa – oder zumindest den östlichen Teil -wieder unter seine Kontrolle zu bringen.

Auf blutige Art und Weise mussten die Menschen in Europa die Lektion lernen, dass die 1989 aufgeblühte Vorstellung, Krieg sei in Europa überwunden, nur eine Illusion war. Russland ist das letzte Kolonialreich Europas, das seine Kolonien im Osten nach wie vor unter Kontrolle hält, und versucht, einstige Kolonien im Westen wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Geeint haben sich die Regierungen der freien europäischen Länder auf die Seite der Ukraine gestellt, bereit, Kyiv darin zu unterstützen, die Bürger der Ukraine und das eigene Land von den Kolonialtruppen zu befreien.

Nur ein EU- und Nato-Land in Europa hat offenbar überhaupt kein Problem damit, mit dem Ruf nach einem sofortigen Waffenstillstand zu akzeptieren, dass eines seiner Nachbarländer wieder (zumindest teilweise) von einer mörderischen Kolonialarmee besetzt bleibt. Es ist wohl ein besonders bösartiger Treppenwitz der Geschichte, dass der Ministerpräsident dieses Landes 1989 zu jenen gehörte, die das Ende der russischen Kolonialtruppen in Budapest ganz besonders gefeiert haben.

(Der Beitrag wurde ursprünglich für die Europäischen Briefe der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi geschrieben.)

 A MESSAGE FROM THE PAN-EUROPEAN PICNIC

19 August 1989 – at the „Pan-European Picnic“ on the Austro-Hungarian border, 661 citizens of the so-called GDR fled to freedom. 

The Neue Zürcher Zeitung said at the time that it was probably a staircase joke of history that Austria and Hungary were leading the Prussians to freedom. The picnic is the first big hole in the Iron Curtain that divided Europe after the Second World War: into the Russian-Soviet occupied East and the free West. Hungary was the first country in the then Eastern Bloc that – knowing the economic situation – decided to dismantle the Iron Curtain. It would have been too expensive to repair.

This paved the way for the end of the division of Europe. In November 1989, the Berlin Wall fell. The divided Germany could be reunited. Finally, in 1991, the Warsaw Pact and the Soviet Union were dissolved. The Baltic states were able to regain the independence they had lost as a result of the Hitler-Stalin Pact. The states that were able to achieve their independence from Moscow sought the way into NATO in order to be safe from military attacks by imperialist Russia in the future, and they sought the way into the European Union because they wanted a market economy instead of a socialist planned economy, as well as democracy and the rule of law instead of despotism and the law of the jungle.

The end of the division of Europe, however, was not only a victory of the free West over the despotism of the East, but also a temporary victory over Moscow imperialism with its Great Russian ambitions, no matter under what ideological cloak they were propagated. Russia had to withdraw its colonial troops from Central Europe. This end of Russia’s colonial rule over half of Europe, the withdrawal of the Russian soldiery, was celebrated in all the countries of Central Europe that had now gained their independence. Especially in the country that was the first to dismantle the Iron Curtain and that still proudly remembers the 1956 uprising against the Soviet Union.
34 years later, Russian imperialism, the dream of a Moscow despot regime of a new Russian empire, is once again a reality in Europe. Russian troops are trying to destroy that neighbouring country to the west, which until now had no way into the EU and NATO. People are dying daily in Ukraine because for the despot in Moscow the end of the Soviet Union was the greatest geopolitical catastrophe of the 20th century, and because this despot, with his propagandists, dreams in an imperialist frenzy of bringing Europe – or at least the eastern part – back under his control.

In a bloody way, the people of Europe had to learn the lesson that the idea that war had been overcome in Europe, which blossomed in 1989, was only an illusion. Russia is the last colonial empire in Europe, still in control of its colonies in the East, and is trying to bring former colonies in the West back under its control. United, the governments of the free European countries have sided with Ukraine, ready to support Kyiv in freeing Ukraine’s citizens and their own country from colonial forces.

Only one EU and Nato country in Europe seems to have no problem at all in accepting, with a call for an immediate ceasefire, that one of its neighbouring countries will again remain (at least partially) occupied by a murderous colonial army. It is probably a particularly vicious staircase joke of history that the prime minister of this country was among those who particularly celebrated the end of the Russian colonial troops in Budapest in 1989.

(The article was also published as „European Letter“ by the European Society Coudenhove-Kalergi.)