Wenn regeln das Gegenteil bewirken

„Vorschrift ist Vorschrift“. Die Ansage ist bekannt für eine Regulierung, die bei genauer Anwendung widersprüchlich und unlogisch wirkt. Eine Regel, die eigentlich die Ordnung schützen soll, aber das Gegenteil bewirkt, nannten wir Universumfurz. Von Anna Pattermann.

Es war ein gewöhnlicher Abend, an dem mein Partner und ich nach einem langen Tag auf dem Weg nach Hause waren. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Straßenlampen warfen lange Schatten auf den Bürgersteig. Während wir die Straße entlanggingen, fielen uns zwei große Müllcontainer auf, die am Rand eines Gebäudes standen. Wir gingen näher heran und bemerkten, dass diese nicht nur mit dem üblichen Abfall gefüllt waren. Stattdessen ragten mehrere unbeschädigte Regale aus dem Container, sauber gestapelt, als wären sie gerade erst dort hineingestellt worden.

Die Regale waren in gutem Zustand – nichts war zerkratzt oder beschädigt. Sofort erkannten wir den Wert dieser Möbelstücke, schließlich hatten wir vor kurzem selbst ein Geschäft eröffnet und wussten genau, wie teuer solche Regale sein können. Schnell überschlugen wir im Kopf den Preis: Mindestens 60 Euro, die hier im Müll landen sollten. Mein Partner, genauso überrascht wie ich, zögerte nicht lange. Er machte sich auf den Weg zum Container, bereit, die Regale herauszuholen und mit nach Hause zu nehmen.

Doch in dem Moment, als er den Container erreichte, öffnete sich die Tür des Gebäudes. Ein Mann in Uniform trat heraus – offensichtlich der Wächter des Ortes. Er sah uns und ging auf uns zu. Wir erklärten ihm, dass wir die Regale gesehen hätten und sie gerne mitnehmen würden, da sie ohnehin weggeworfen werden sollten. Der Wächter hörte uns ruhig zu und bestätigte, dass die Regale tatsächlich für den Müll bestimmt waren. Doch dann kam die Überraschung: „Nein, das geht nicht,“ sagte er bestimmt. „Die Sachen müssen zum Müllplatz gebracht werden.“

Wenn die Bestimmung mehr Abfall produziert

Wir standen da, überrascht und verwirrt. Es ergab für uns keinen Sinn. Warum sollten nützliche Gegenstände, die noch in gutem Zustand waren, nicht einfach weiterverwendet werden dürfen? Warum sollten sie stattdessen auf einer Müllhalde landen, wo sie unweigerlich verrotten und damit zu den wachsenden Müllbergen unserer Gesellschaft beitragen würden? Dieses Verhalten erschien uns nicht nur irrational, sondern auch verantwortungslos, denn es fördert unnötigen Konsum und produziert mehr Abfall – genau das, was wir in einer Zeit, in der die globale Erwärmung immer drängender wird, dringend vermeiden sollten.

In diesem Moment schien das System, dem der Wächter folgte, plötzlich völlig widersprüchlich und unlogisch. Es war ein Augenblick, in dem die Regeln, die eigentlich zum Schutz und zur Ordnung dienen sollten, genau das Gegenteil bewirkten. Als wir später darüber sprachen, nannten wir diesen Moment scherzhaft einen „Universumfurz“ – eine Situation, in der die starren Grenzen eines Systems nicht nur sinnlos erscheinen, sondern aktiv dazu beitragen, die Probleme unserer Welt zu verschärfen. Und stellt euch die Summe all dieser „Universumfurz“-Situationen vor, die weltweit jeden Tag geschehen – die kumulierten Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unseren Planeten sind erschreckend.

Wenn das starre System irrational wird

Nachdem wir diese absurde Situation erlebt hatten, begannen wir, über den Begriff „Universumfurz“ nachzudenken, um solche Momente zu beschreiben. Ein „Universumfurz“ ist ein Augenblick, in dem ein System in seiner starren Struktur so irrational wird, dass es beinahe lächerlich erscheint. Es ist ein Moment, in dem das System seine eigentliche Funktionalität und den zugrunde liegenden Zweck aus den Augen verliert, weil es an künstlichen Regeln und Grenzen festhält, die im größeren Kontext schlichtweg keinen Sinn mehr ergeben.

Wenn gut gemeint das Gegenteil bewirkt

Diese Erkenntnis brachte uns dazu, über andere Situationen in unserem Alltag nachzudenken. Wie oft begegnen wir „Universumfurzen“, ohne es bewusst zu merken? Situationen, in denen Systeme, die ursprünglich gut durchdacht waren, plötzlich an ihrer eigenen Starrheit scheitern und sich dadurch selbst sabotieren.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Grundlagen unseres Systems oft hervorragend sind, aber sie sind nicht perfekt. Und genau hier liegt der Punkt: Wir müssen in regelmäßigen Abständen die Regeln und Strukturen, die unsere Systeme leiten, überprüfen und hinterfragen. Nur so können wir sicherstellen, dass diese Systeme auch weiterhin ihren Zweck erfüllen und nicht durch starre, unreflektierte Regeln ineffizient oder sogar schädlich werden.

Kriegsverbrecher mit Veto im Sicherheitsrat

Ein weiteres, vielleicht noch gravierenderes Beispiel für einen „Universumfurz“ lässt sich in der internationalen Politik finden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der eigentlich geschaffen wurde, um den Weltfrieden zu sichern und das Völkerrecht zu wahren, gerät ins Stocken, wenn ein Land, das selbst im Rat sitzt, die internationale Ordnung bricht.

Als Russland die Ukraine überfiel und dabei eindeutig gegen das Völkerrecht verstieß, blockierte es zugleich durch sein Vetorecht im Sicherheitsrat alle notwendigen Schritte zur Friedenssicherung. Hier zeigt sich die absurde Seite eines Systems, das an starren, in der Vergangenheit geschaffenen Regeln festhält, die damals der Situation entsprachen, jedoch in der gegenwärtigen Lage nicht mehr sinnvoll sind. Es ist ein Augenblick, in dem die starren Strukturen des Systems nicht nur nutzlos, sondern tatsächlich kontraproduktiv werden – ein Problem, das weltweit verheerende Auswirkungen haben kann.

Ein „Universumfurz“ ist nicht nur ein Phänomen, das wir in der Politik oder in großen gesellschaftlichen Systemen beobachten können – es gibt zahlreiche Fälle in unserem Alltag. Im Zuge der Gründung meines Unternehmens unterlief mir ein Fehler bei meiner eigenen Anmeldung als Mitarbeiterin. In der hektischen Anfangsphase des Unternehmens versäumte ich es, zuerst eine Arbeitsbewilligung beim AMS zu beantragen. Dieser Fehler war weder vorsätzlich noch aus Nachlässigkeit begangen, sondern ein Ergebnis der Komplexität und des Drucks, die mit der Gründung eines neuen Unternehmens einhergehen.

Als mir der Fehler bewusst wurde, handelte ich sofort, um die Situation zu korrigieren. Doch trotz meiner Bemühungen und meiner aufrichtigen Stellungnahme, in der ich die Situation erklärte und um Verständnis bat, stieß ich auf ein System, das sich strikt hinter dem Gesetz versteckte. Es schien niemanden zu interessieren, wie lange ich bereits in Österreich lebe, was ich für die Gesellschaft tue oder wie dieser Fehler zustande gekommen war. „Gesetz ist Gesetz“ war die unerschütterliche Antwort, und so wurde ich mit einer drohenden Strafe von mindestens 2.500 Euro konfrontiert – eine enorme Belastung für ein neues Unternehmen. Was noch schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass dieses „Vergehen“ nun in die private Akte meines Partners eingetragen wird, was langfristige negative Konsequenzen haben könnte.

Schikane bei der Unternehmensgründung

Diese Erfahrung zeigt, wie ein System, das ursprünglich geschaffen wurde, um Ordnung und Gerechtigkeit zu gewährleisten, durch seine Starrheit und Inflexibilität das Gegenteil bewirken kann. Hier wurde ich nicht als Mensch gesehen, der einen Fehler gemacht hat und diesen korrigieren möchte, sondern nur als Akte in einem System, das keine Abweichung von seinen festgelegten Regeln duldet. Auch dies ist ein „Universumfurz“ – ein Moment, in dem das System seine eigentliche Funktionalität und seinen Zweck verliert, weil es nicht in der Lage ist, individuelle Umstände oder die Realität außerhalb seiner starren Grenzen zu berücksichtigen. Das System hat es nicht geschafft, mich am Anfang mit allen notwendigen Informationen zu versorgen. Gleichzeitig duldet das System keine Fehler, weil sonst der Preis zu hoch ist. Zeigt mir einen Menschen, der den Weg ohne Fehler gegangen ist.

Hier möchte ich nur betonen, dass das System in seiner eigenen Entwicklung noch Luft nach oben hat und es in unserer Verantwortung liegt, „Universumfurze“ zu thematisieren, um sie zu beheben.

Das Problem der starren Systemgrenzen

Ein zentrales Problem vieler gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme ist ihre Tendenz, starre Regeln und Grenzen aufrechtzuerhalten, die in einem bestimmten Kontext vielleicht einmal sinnvoll waren, sich aber nicht an veränderte Bedingungen anpassen können. Diese Unflexibilität kann dazu führen, dass Systeme, die ursprünglich geschaffen wurden, um Ordnung, Gerechtigkeit oder Effizienz zu gewährleisten, genau das Gegenteil bewirken: Sie werden ineffektiv, ungerecht und manchmal sogar destruktiv. Wenn die Systeme starr bleiben, ohne die Möglichkeit der Anpassung an neue Bedingungen, gibt es Raum für autoritäre Staaten, diese Systeme auszunutzen, indem sie ihre Unflexibilität ausbeuten, wie es im Fall der UNO geschieht.

In vielen Fällen basieren diese Regeln auf Annahmen und Bedingungen, die längst überholt sind. Doch anstatt sich weiterzuentwickeln und flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren, bleiben diese Systeme oft starr und unnachgiebig. Das führt dazu, dass sie in einer sich schnell verändernden Welt Prioritäten falsch setzen und ihre ursprünglichen Ziele aus den Augen verlieren. Solche „Universumfurze“ sind das Ergebnis von Systemen, die ihre eigenen Grenzen nicht mehr hinterfragen und sich nicht an die realen Gegebenheiten anpassen.

In einer Welt, die sich ständig wandelt und in der wir mit komplexen, globalen Herausforderungen konfrontiert sind, müssen Systeme flexibel und dynamisch sein. Sie müssen in der Lage sein, ihre eigenen Regeln und Strukturen regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ihrem Zweck dienen und nicht selbst zu einem Problem werden.

Rückkopplungsschleifen und Systemversagen

Ein zentrales Konzept der Systemtheorie ist das der Rückkopplungsschleifen. Diese beschreiben Situationen, in denen die Ergebnisse eines Prozesses genutzt werden, um den Prozess selbst zu steuern. Rückkopplungsschleifen können entweder positiv oder negativ sein. Positive Rückkopplungsschleifen verstärken eine bestimmte Entwicklung oder Dynamik, während negative Rückkopplungsschleifen oft dazu führen, dass ein System in sich selbst gefangen ist und zunehmend ineffektiv oder dysfunktional wird.

Wenn Systeme an ihren eigenen starren und künstlich geschaffenen Grenzen festhalten, ohne diese regelmäßig zu hinterfragen und anzupassen, kann dies zu negativen Rückkopplungsschleifen führen. In solchen Fällen sorgt das System selbst dafür, dass es seine ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen kann – es wird ineffizient, unflexibel und letztlich dysfunktional.

Das Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen führt das System, das eigentlich geschaffen wurde, um Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, zu einer negativen Rückkopplungsschleife, in der es durch seine eigenen Regeln blockiert wird und seine Funktion verliert.

Solche Rückkopplungsschleifen sind nicht nur ineffizient, sondern können auch gefährlich sein. Sie führen dazu, dass Systeme sich selbst sabotieren und ihre eigenen Ziele untergraben. In einer dynamischen und komplexen Welt müssen Systeme daher in der Lage sein, ihre eigenen Prozesse und Regeln kontinuierlich zu hinterfragen und anzupassen. Nur so können sie verhindern, dass negative Rückkopplungsschleifen entstehen, die das System in eine Abwärtsspirale führen.

Wenn sich das System zum Scheitern bringt

Im Kern geht es darum, dass Systeme, die ihre eigenen Grenzen nicht regelmäßig überprüfen und sich nicht flexibel an neue Realitäten anpassen, Gefahr laufen, sich selbst zu zerstören. Rückkopplungsschleifen können entweder die Wirksamkeit eines Systems verstärken oder, wenn sie negativ sind, seine Schwächen verstärken und es letztlich zum Scheitern bringen.

Unsere Welt steht vor Herausforderungen, die schnelles Umdenken verlangen. Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Ungleichheit zeigen, dass viele der starren Systeme, auf die wir uns verlassen, nicht mehr tragfähig sind. Diese Systeme wurden oft für eine Welt entworfen, die es so nicht mehr gibt. Heute brauchen wir Strukturen, die anpassungsfähig sind und auf Veränderungen reagieren können.

In dieser Realität müssen wir die künstlichen Grenzen, die wir uns selbst auferlegt haben, hinterfragen. Der „Universumfurz“ ist ein Zeichen dafür, wie starre Systeme zu Absurditäten führen können – und wie wichtig es ist, diese nicht blind zu befolgen, sondern kritisch zu überdenken und zu verbessern.

Vielleicht sollten wir alle beginnen, bewusster nach „Universumfurzen“ in unserem Alltag zu suchen – diesen Momenten, in denen Systeme an ihrer eigenen Absurdität scheitern. Indem wir solche Situationen erkennen, können wir nicht nur über die bestehenden Grenzen hinwegdenken, sondern auch aktiv dazu beitragen, dass unsere Systeme flexibler, nachhaltiger und zukunftsfähiger werden. Jeder „Universumfurz“, den wir hinterfragen und verändern, ist ein Schritt hin zu einer Welt, die besser auf die Herausforderungen von heute und morgen vorbereitet ist.