Der grüne Pass

Der grüne Pass bedeutet das Ende des Schengen-Abkommens. Ein Kommentar von Rainhard Kloucek

Der grüne Pass ist der smarte Einstieg in ein social credit System nach chinesischem Vorbild. Das ist eine Prognose, die verbunden ist mit dem innigen Wunsch, sie möge völlig daneben sein. Wer aber nicht in einer Wohlfühldiktatur aufwachen will, muss wachsam sein.

Aber nicht nur das. Der grüne Pass ist auch eine unehrliche Impfpflicht und Ende des Schengener-Abkommens. Wer den grünen Pass nicht hat, weil er oder sie nicht geimpft ist, wird von Grundrechten wie Reisen oder dem Besuch von Kulturveranstaltungen ausgeschlossen. Ehrlich wäre es gewesen, eine Impfpflicht zu diskutieren. Es gibt im konkreten Fall gute Argumente dafür, so wie es sie auch bei der Pockenimpfung gab. Und mit dieser Impfpflicht verbunden waren auch klare Regelungen für die Haftung bei Impfschäden. Warum wohl will sich die Politik davor drücken?

Schließlich bedeutet der grüne Pass das Ende der Reisefreiheit, wie sie das Schengener Abkommen garantieren sollte. Reisefreiheit im gesamten Schengen-Raum. Ein Ende der kleinen Nationalstaaten, zumindest was die Bewegungsfreiheit betrifft. Den Nationalisten ist diese Freiheit schon lange ein Gräuel. Sie wollen die Bewegungsfreiheit der Bürger einschränken und kontrollieren. Sie haben sich nie mit der Überwindung des Nationalstaates abgefunden. Der paternalistische Ansatz, dass der totale Staat über bürgerliche Freiheiten, also Grundfreiheiten, die mit unserer Personenwürde verbunden sind, entscheidet, wird damit europäisiert. Denn es entscheidet auch der Staat über die Zuteilung der Impfung.

Wie pervers dieser Ansatz ist zeigt der geografische Vergleich. Der Feldkircher darf zwar ohne grünen Pass nach Wien, aber nicht nach Paris, das näher liegt. Der Wiener darf ohne grünen Pass zwar nach Vorarlberg, nicht aber in die slowakische Hauptstadt, die einst mit einer Straßenbahn erreichbar war, geschweige denn nach Czernowitz, das geografisch ziemlich gleich nahe liegt wie Bregenz. Politik in den intellektuellen Grenzen des Sandkastens oder des Ballhausplatzes.

Die EU-Kommission, die Hüterin der Verträge, die damit auch die Schengen-Freiheit durchsetzen sollte, degradiert sich mit der Ausarbeitung der Bestimmungen über diesen grünen Pass zum Schergen des überwunden geglaubten Nationalismus. Ein politischer Rückschritt um 100 Jahre.

c Beitragsbild: Europäische Union 2021