Die europäische Einigung wird zunehmend in Frage gestellt. Ein neuartiger Nationalismus macht sich breit. Von Rainhard Kloucek, Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich.
Offene Grenzen innerhalb der EU, eine Überwindung der Abschottungspolitik und der nationalen Protektionismen, ein freier Reiseverkehr, ein freier Binnenmarkt, das sind nur einige Beispiele, wofür die europäische Einigung noch vor etwas mehr als einem Jahr stand. Tatsächlich war vieles davon wahr geworden. Vor allem nach dem Ende des Eisernen Vorhangs. Der Austausch über die Grenze funktionierte. Es gab gemeinsame Infrastrukturinvestitionen, Menschen fanden auf der anderen Seite der Grenze gute Arbeitsplätze, grenzüberschreitende Investitionen schufen neue Arbeitsplätze und sorgten für eine Verbesserung der Lebensumstände.
Gewiss, bei der Reisefreiheit gab es auch damals schon Einschränkungen, weil man die Flüchtlingskrise von 2015 noch nicht verkraftet hat. Doch nun dient ein Virus als Ausrede für alle Arten von dauerhaften Grenzschließungen. Wie absurd das teilweise ist, zeigt das Beispiel Österreich. Hier beschwert man sich über die kleinkarierten Maßnahmen der Bayern. Auf der anderen Seite schreibt der Bürgermeister von Ödenburg (Sopron), dem österreichischen Innenminister einen Brief, und fragt ihn, ob er denn wisse, wieviele Ungarn täglich zur Arbeit nach Österreich (und wieder nach Hause) pendeln, und was die Grenzschließungen für die Menschen bedeute. Wie die Buben im Sandkasten spielen Nehammer und Söder harte Männer, oder das, was sie dafür halten.
Der wirtschaftliche Schaden ist bereits messbar, der langfristige Schaden für das europäische Projekt von den Sandkastenspielern aber nicht erkennbar.
Dazu kommen vermehrt Rufe nach neuen protektionistischen Maßnahmen, um diese und jene Branche vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Die wirtschaftlichen Folgen der Lockdown-Politik bieten dann auch ausreichend Betätigungsfelder für einen immer stärkeren Staatseingriff in die Wirtschaft.
Europäische Projekte, wie etwa die von Karl von Habsburg in seiner Rede zur Zukunft Europas geforderte europäische Außenpolitik, werden beiseite geschoben. Immer mehr agieren Regierungen (auch die in Wien) nach dem Prinzip der Intergouvernmentalität. Die Rückschritte werden immer spürbarer.
Beitragsbild c Europäische Union 2019