Europa spielt im österreichischen Wahlkampf – wie üblich – eine eher untergeordnete Rolle. Umso erfreulicher ist die Initiative der Jungen Industrie einzustufen, die zur Debatte im Haus der Industrie lud. Eine kleine Rückschau über die Positionen, zusammengefasst von Rainhard Kloucek.
Wie bringt man einen SPÖ-Politiker (Kai Jan Krainer) dazu, eine FPÖ-Politikerin (Barbara Kappel) zu verteidigen? Indem der Moderator (ORF-Journalist Gerhard Jelinek) um Word-Rap Antworten zu den Word-Rap-Fragen „Brexit“, „Öxit“ bittet. Kappel sagt: Brexit schlecht, Öxit schlecht. Der Moderator meint, das sei aber bei ihrer Partei nicht so selbstverständlich. Krainer springt verteidigend ein: Es gibt von Kappel keine Anti-EU-Aussage.
Es ist eine Veranstaltung der Jungen Industrie unter dem Titel „K/eine Vision – Die Zukunft Europas“, bei der es zu dieser Szene kommt. Neben den schon genannten Politikern diskutieren weiters Angelika Mlinar von den Neos, Werner Kogler von den Grünen und ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger in der beginnenden heißen Phase des Nationalratswahlkampfes über die Zukunft Europa. Die drei Damen am Podium gehören dem Europäischen Parlament an, die beiden Herren dem Österreichischen Nationalrat.
Der Brexit – (k)eine gute Idee?
Die Frage des Brexit und seine möglichen Folgen tauchen in der Diskussion immer wieder auf. Einig ist man sich, dass die Brexit-Entscheidung der Briten keine gute oder gar wohldurchdachte Idee war, man rechnet auch nicht mit Nachahmern.
Angelika Mlinar berichtet von zähen Verhandlungen, insbesondere was die Zukunft der EU-Bürger in Großbritannien betrifft. Elisabeth Köstinger wirft die Frage auf, wo denn die Konstruktionsfehler in der EU seien, die zu einer derartigen Fehlentscheidung führen konnten, die für beide Seiten einen Schaden bringen wird.
Krainer verweist auf die innenpolitischen Motive für David Cameron (ehemaliger britischer Premierminister). Der SPÖ-Politiker kann sich aber durchaus vorstellen, dass es nach den Austrittsverhandlungen zu einem neuerlichen Referendum über das Ergebnis kommt. Ist dann eine Mehrheit dagegen, würde der Brexit abgesagt.
Werner Kogler – er spricht von einer möglichen Variante eines Soft-Exit vom Brexit – will verhindern, dass es zu einer Situation des Rosinenpickens durch die Briten kommt, beklagt die vielen Extrawürste die man dem Inselstaat bereits zugestanden hat, um denn das Vereinigte Königreich als größten schwimmenden Würstelstand zu bezeichnen.
Barbara Kappel rechnet mit einer Übergangslösung. Das Chaos bei den britischen Austrittsverhandlungen sehend, werde wohl kein Land auf die Idee kommen, mit einem Verlassen der EU zu spekulieren.
Offen bleibt die Antwort auf die Frage, was denn die Folgen des britischen Austrittes für das EU-Budget seien. Einig war man sich, dass das aber eine der großen Herausforderungen für die Verhandlungen zum nächsten EU-Budgetrahmen sind. Immerhin kommen von Großbritannien zirka elf Milliarden Euro EU-Beitrag, den weder die die anderen Mitgliedsländer übernehmen wollen, noch gibt es eine Übereinstimmung wo im Budget gekürzt werden könnte.
Besteuerung und Ideologie – Zusammenhang zeigt sich
Zum Ausdruck kamen die ideologischen Unterschiede nur bei der Frage nach möglichen neuen Einnahmequellen für die EU, also EU-Steuern bzw. einer Harmonisierung der Steuern in der EU. Ganz sozialistisch argumentierte Krainer, dass der Steuerwettbewerb das Problem für das Funktionieren der EU sei. In grüner Manier setzte Kogler zu einer großen ökonomischen Erklärung an, sodass am Ende nur die Botschaft blieb, er sei für einen Korridor zumindest bei der Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer. Eine Position mit der sich so gar nicht liberal auch Mlinar anfreundete, während ihre MEP-Kolleginnen Kappel und Köstinger sich für einen Wettbewerb aussprachen.
Das babylonische Sprachenwirrwarr brauch aus, als Moderator Jelinek um eine kurze Stellungnahme zur Frage der weiteren Verhandlungen mit der Türkei bat. Barbara Kappel plädierte für einen Abbruch der Verhandlungen, mit dem Hinweis, dass die Fehler in der ganzen Frage schon weit zurückreichen, man jedoch nicht übersehen sollte, dass die Türkei ein wichtiger Handelspartner sei. Jan Krainer wollte die Türkei in das Friedensprojekt integrieren, sprach ihr aber jede EU-Beitrittsfähigkeit ab. Angelika Mlinar brachte die Diktion des Europäischen Parlamentes ins Spiel, das ein Einfrieren der Beitrittsgespräche forderte, verwies aber darauf, dass die Türkei doch ein Partner sei. Elisabeth Köstinger schließlich sprach von einer privilegierten Partnerschaft für die Türkei.
Grün und Blau – eine neue Liebe?
Erwartungsgemäß uneinig endete der Teil der Veranstaltung, in dem es um die Frage von Asyl und Migration ging. So wie beim Schutz der Außengrenzen war man sich zwar einig, dass dies eine der großen Fragen sei, um die sich die EU kümmern müsse, aber der Weg dorthin blieb offen.
Als dann zum Schluss auch noch Werner Kogler eine positive Bemerkung zu einer Aussage von Barbara Kappel machte, postet auf der angezeigten online-Diskussion zur Veranstaltung ein Gast im Publikum etwas über die neue Liebe zwischen Grün und Blau. Das war dann den Moderatoren der online-Diskussion doch zu viel, man wechselte zum Standbild mit den Namen der Diskussionsteilnehmer. Der Sitznachbar des Chronisten hatte gerade die Frage in sein Smartphone getippt, ob denn nun der Termin für die Präsentation des Wahlprogramms der Liste Kurz mit dem 16. Oktober fix sei. Zu spät. Die Diskussion ging aber ohnehin schon zu Ende. Gerhard Jelinek fasste zusammen, es gäbe fast Einstimmigkeit unter den Diskutanten: „Den Rest kriegen wir im Wahlkampf auch noch hin.“