Die Wahlen in Frankreich – erste Runde

Präsidentschaftswahlen in der Europäischen Union haben unterschiedliche Bedeutungen. Manche sind eher symbolisch, gilt der Präsident in einigen Ländern als Repräsentant und Diplomat ohne politische Macht. Wenn jedoch der Präsident in einem Land gewählt wird, das sich aktuell nach verheerenden Terroranschlägen im Ausnahmezustand befindet und welches die größte Armee der EU sowie die drittgrößte der NATO unterhält, dann könnte die ganze Wahl dann doch entscheidender sein als woanders.

Eine Bewertung von Stefan Haböck, Referent für internationale Beziehungen im Präsidium der Paneuropabewegung Österreich.

Frankreich, rund 67 Millionen Einwohner, flächenmäßig größter Staat der EU, Wirtschaftsmacht mit Problemen und einer Gesellschaft, die schon lange nicht mehr so egalité ist, wie es der Wahlspruch der mittlerweile 5. Republik verlautbart.

Der Staatspräsident wird in Frankreich in direkter Volkswahl gewählt – am 27. April stand der erste Durchgang zur Wahl des 11. Präsidenten der fünften Republik an. Das linke Lager zersplittert, der Aufstieg des Front National hält an. Der linksradikale Jean Luc Melenchon verdrängte mit seiner Linkspartei den Kandidaten der Sozialisten, Benoit Hamon. Die Konservativen verstrickten sich in Streit und gegenseitige Vorwürfe.

Die Stichwahl am 27. April 2017 endete um 20:00 – gegen 20:30  gestand Francois Fillon seine Niederlage ein. Damit stand fest, wer in der zweiten Runde am 7. Mai gegeneinander antrat: Emmanuel Macron (39, En Marche!) und Marine LePen (48, Front National).

Marine LePen, Abgeordnete zum Europäischen Parlament und dort in eine Bezügeaffäre verwickelt (sie verweigert die Rückzahlung von rund 400.000€ die sie unrechtmäßig an Mitarbeiter ausgezahlt haben soll), wird wohl nicht die 50,01% erreichen um Präsidentin zu werden. Aber sie zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie gegen alle (das System?) beziehungsweise alle gegen sie. Mittlerweile hat der linksradikale Melenchon gesagt, LePen solle nicht gewählt werden. Eine Wahlempfehlung für Macron verweigert er bis jetzt.

Der Front National, eine rechte, nationalistische, wirtschaftlich sozialistische Partei die das Land „wie früher“ wieder „groß machen“ will.

Die Konservativen, die sich nun „Les Republicains“ nennen, gingen mit Francois Fillon ins Rennen. Fillon, erfahrener Politiker, stolperte wohl über Ungereimtheiten bei Geschenkannahmen und das Anstellungsverhältnis seiner Frau. Er hat noch am Wahlabend seine Unterstützung für Macron kundgetan und tags darauf seinen (kurzzeitigen?) Rückzug aus der Politik bekannt gegeben.

Macron, 39, gilt als Newcomer und nicht im System verhaftet wie die anderen Kandidaten – obwohl Absolvent der Eliteakademie ENA, ehemaliger Minister und Generalsekretär des Elysee-Palastes und seit mindestens 2006 schon politisch tätig ist. Sein Programm orientiert sich am skandinavischen Modell von sozialer Marktwirtschaft mit starken Sozialstaat. Macron, auch als Minister eher beliebt, profitiert wohl durch die Verwicklungen Fillons, der schon als nächster Präsident galt, und konnte sich hier als Erneuerer positionieren. Er gilt als klar pro-europäisch.

Die Wahl steht nun also zwischen zwei Kandidaten, die gegensätzlicher wohl kaum sein könnten. Nicht nur zwischen zwei Parteien und zwei Modellen eines Staates, sondern vor allem, wie es Frankreich mit Europe, konkret der Europäischen Union hält.

Wie hält es Frankreich mit der Europäischen Union?

Marine LePen (im Europäischen Parlament in einer Fraktion mit zum Beispiel der FPÖ), sagte unverblümt, dass die Zerstörung der EU das politische Ziel sei. Dass sie den Austritt aus dem Euro und der NATO anstrebt, überrascht nicht. Die Partei von LePen, nach eigenen Aussagen Bewunderin vom russischen Präsidenten Putin, bekam 2014 einen Kredit über 9 Millionen € von der  First Czech-Russian Bank.

Emmanuel Macron, von 2006 – 2009 Mitglied der Sozialistischen Partei und später Wirtschaftsminister, führte einen Liberalisierungskurs durch mit Steuererleichterungen für Unternehmen. Gleichzeitig forderte er aber auch gerade von der deutschen Bundesregierung mehr staatliche Investitionen zur Belebung der Wirtschaft. Ein Gesetz zur Liberalisierung des Arbeitsrechtes ließ ihn bei den Linken endgültig in Ungnade fallen. Ende 2016 kündigte Macron seine Kandidatur als unabhängiger Bewerber an.

Am 7. Mai kommt es nun also zur Stichwahl zwischen diesen beiden Politikmodellen. Noch am Abend der ersten Wahl sprach sich der linke Kandidat Hamon für die Untertsützung Macrons aus, auch wenn „dieser kein Linker sei“. Ex-Premier Raffarin und der aktuelle Premierminister Cazeneuve folgten dem Aufruf.

2002 stand schon mal ein LePen im zweiten Durchgang – damals der Vater von Marine LePen, Jean-Marie. Damals riefen die linken Parteien zur Wahl von Jacques Chirac auf und dieser wurde mit knapp 82% zum Präsidenten wiedergewählt.

Ob es auch dieses Jahr, bei der extremen Zersplitterung der vor allem linken Parteienlandschaft einen „pro europäischen Schulterschluss“ geben wird, wird sich zeigen. Faktum ist, dass diese Zuspitzung auf Ja oder Nein zur Europäischen Union wohl einzigartig bei Wahlen in den vergangen Jahren in europäischen Staaten ist. Man muss sich auch in Erinnerung rufen, dass die UKIP mit ihrem Star Nigel Farage in der britischen Innenpolitik zwar ein Rolle spielt, aber kein einziges Mandat im britischen Parlament gewonnen hat. Auch bei der Wahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen war der konkrete Austritt aus der Europäischen Union, wenn man Wahlkampfrhetorik außer Acht lässt, nicht das Hauptziel.

Wie hält es Frankreich mit Russland?

Die Bedeutung des Ausgangs der Wahl schlägt sich auch in der Tatsache nieder, dass es mittlerweile zum Konflikt zwischen Vertretern der russischen Regierung und dem Team von Macron gekommen ist: Dem staatlich finanzierte Sender Russia Today und dem Portal Sputnik wurde die Akkreditierung verweigert. Für das russische Außenministerium ein Skandal und Anschlag auf die Pressefreiheit, für das Team von Macron Schutz gegenüber eine Schmutzkampagne Russlands. [1]

Überhaupt wird in Russland, wie wohl in fast jedem europäischen Land, die Wahl mit besonderer Spannung verfolgt. In einer kürzlich (26./27. April) erfolgten Umfrage gaben 61% der Befragten an, sie würden LePen unterstützen, 8% Macron. [2]

Am 7. Mai geht es aber genau darum – bekommt eines der größten und mächtigsten Länder Europas einen Präsidenten, der sich klar zur EU bekennt oder eine Präsidentin, die die EU zerstören wird.  Spannend wird es dann doch werden, denn der Kandidat der extremen Linken, Jean-Luc Mélenchon hat noch am Wahlabend verlautbart, dass er keinesfalls zur Wahl Macrons aufrufen wird, womit auch dessen 19% Wählerstimmen zur Disposition stehen.

[1] http://www.n-tv.de/politik/Russlands-Medienkrieg-gegen-Macron-article19813378.html

[2] https://themoscowtimes.com/news/russians-take-a-keen-interest-in-french-elections-support-le-pen-poll-57879

Das Beitragsbild zeigt den Elysee-Palast in Paris, Sitz des Präsidenten der Republik Frankreich (c Europäische Gemeinschaft 2008)