Droht ein Genozid auf der arabischen Halbinsel?

Der Krieg im Jemen wird hierzulande kaum beachtet. Die Ankündigung Saudi-Arabiens, keine Schiiten dulden zu wollen, muss als Ankündigung eines Genozids verstanden werden. Ein Kommentar von Karl von Habsburg.

Mit der Auflösung des Osmanischen Reiches in Folge des Ersten Weltkrieges wurden in der Region Staaten geschaffen, deren Grenzen von den Siegern, vor allem Frankreich und Großbritannien, völlig willkürlich, einzig den Interessen der beiden einstigen europäischen Großmächte folgend, gezogen wurden. Am bekanntesten ist wohl das Sykes-Picot Abkommen aus dem Jahr 1916, mit dem beispielsweise die Grenzlinie für Syrien gezogen wurde. Ein gerader Strich auf einer Landkarte. Die Franzosen wollten den Libanon unter ihrer Kontrolle haben, die Briten Ägypten und den Suez-Kanal. Die Folgen dieser Politik, die dann im Vertrag von Sevres endgültig niedergeschrieben wurde, führen heute noch immer zu Konflikten und Kriegen in der Region. In Europa wurde aber kaum beachtet, dass beispielsweise zu Beginn des Krieges in Syrien unter anderem das Sykes-Picot Abkommen als Motivation für die Kämpfer genannt wurde.

Der Krieg in Syrien, der wesentlich vielschichtiger ist als er oft dargestellt wird, in dem ganz unterschiedliche Gruppierungen – inklusive vieler krimineller Organisationen und religiöser Fanatiker – kämpfen, in dem die Allianzen immer wieder wechseln, findet viel Platz in der medialen Darstellung in Europa.

Regionalmächte wie die Türkei , Saudi-Arabien und der Iran vertreten in dem Konflikt genauso brutal ihre Interessen, wie es Russland tut, um sich als Weltmacht zu behaupten. Aus Europa kämpfen nicht nur fanatisierte Moslems in der Region, sondern beispielsweise auch Söldner, die im Dienste Moskaus ihrem blutigen Geschäft nachgehen. Viele Anzeichen sprechen auch dafür, dass sich dieser Krieg einem Ende nähern dürfte. Unklar ist, ob es eine dauerhafte Friedensordnung geben wird können, da man der Hisbollah, die einen Großteil der Bodenoperationen getragen hat, einen Lohn für den Einsatz geben wird müssen.

Weniger mediale Präsenz hat der Krieg im Jemen. Das Land ist ein Stück größer als Deutschland und hat mit 30 Millionen Einwohnern eine Bevölkerungszahl, die fast so hoch ist wie die des vier Mal so großen Nachbarn Saudi-Arabien. Kaum bekannt ist die Tatsache, dass im Jemen die beiden großen Richtungen des Islam, Sunniten und Schiiten, in etwa gleich groß sind.

Saudi-Arabien ist im Konflikt im Jemen direkt militärisch engagiert. Den gegenwärtigen Krieg im Jemen hat es sogar angefangen. Saudi-Arabien hat auch den völlig überflüssigen Konflikt mit Katar vom Zaun gebrochen. Das wahabitische Königreich hat angekündigt, keine schiitische Bevölkerung im Jemen akzeptieren zu wollen. Einer der Hintergründe ist der nicht direkt ausgetragene Konflikt mit einer anderen Regionalmacht, dem Iran, der wiederum schiitisch geprägt ist. Wenn aber Saudi-Arabien keine schiitische Bevölkerung im Jemen dulden will – der militärische Einsatz des ölreichen Landes gilt ja in erster Linie der Bekämpfung der schiitischen Bevölkerung –, dann bedeutet das konkret Vernichtung oder Vertreibung. Hier droht also ein Genozid, der in seiner Dimension alles bisher Bekannte übertreffen würde.

Saudi-Arabien gilt normalerweise als Verbündeter des Westens, insbesondere der USA, aber auch Großbritannien ist in dem Land sehr engagiert. Bekannt ist, dass Saudi-Arabien einer der Hauptfinanziers für islamische Extremisten ist, die wiederum zur Destabilisierung ganzer Staaten bis nach Afrika beitragen. Und Saudi-Arabien ist hoch gerüstet. Erst beim jüngsten Besuch des US-Präsidenten wurden milliardenschwere Rüstungsgeschäfte abgeschlossen. Dabei kauft das Königreich hochkomplexe Waffensysteme, die von der eigenen Armee gar nicht bedient werden können. Was natürlich die Frage aufwirft, wer diese Waffensysteme im Krieg im Jemen für das Königreich bedient.

Der Artikel wurde ursprünglich auf der Seite von Karl von Habsburg publiziert.