Wie bedroht sind die Freiheitsrechte? Ein Kommentar von Ludwig Bayer.
Karl Valentin ahnte, dass jedes Ding drei Seiten hat: eine gute, eine miserable und eine komische. Der Wille zur Freiheit zählt zu den besten Eigenschaften der Menschen. Noch dazu, wenn ein Vorkämpfer der Bürgerfreiheit ranghöchster Richter war: bis 2010 stand Hans-Jürgen Papier an der Spitze des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Heute kritisiert er jene graue Seite der Coronakrise, von der er als Nichtarzt am meisten versteht. Er sieht Freiheitsrechte bedroht. Jeder Satz, den er spricht, kann wie ein Skalpell wirken. (Ein metaphorischer Bezug zur Medizin.)
Gesundheitsschutz sei zwar Aufgabe des Staates, sagt Papier, dies rechtfertige aber bei weitem nicht jeden Freiheitseingriff. Nicht die Lockerungen seien rechtfertigungspflichtig, sondern die Beschränkungen der Grundrechte: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Sinn und Zweck eines Verfassungsstaates in erster Linie der Schutz der Freiheit ist“. Wir sollten nicht einen Tag länger als erforderlich auf Freiheiten verzichten müssen. Und: „Ich stelle mit Bedauern fest, wie wenig der Gedanke der parlamentarischen Demokratie derzeit überhaupt eine Rolle spielt“. Die Macht liegt in der Tat so sehr in den Händen der Exekutive und ihrer Beamtenheere, dass die frei gewählten Parlamente peu à peu in die Rolle von Statisten am Bühnenrand gedrängt werden.
Die Volksvertreter haben ihre Rechte zu wahren. Jede geplante Regulierung gehört ins Parlament: zu prüfen ist, ob wirklich zweifelsfrei feststeht, dass sie unabweisbar notwendig ist. Die beste Pandemiebekämpfung liegt nicht in teils komisch-widersprüchlichen Vorschriften. Richtig wäre vielmehr, mit allen verfügbaren Mitteln auf dem Weltmarkt und durch eigene Produktion Impfstoffe zu beschaffen. Rasch kann es dann gelingen, einen Durchimpfungsgrad von 70 Prozent zu erreichen. Sobald Österreich an dieser Immunisierungs-Zielmarke anlandet, schlägt die Stunde der Legislative. Alle Abgeordneten sollten rasch noch einmal die Verfassung lesen und binnen eines Tages sämtliche Einschränkungen aufheben – sodass glückt, was ihre Wähler wollen: Freiheit.