Der ehemalige Finanzminister heuert bei Gazprom an, und die Regierung will keine Maßnahmen gegen Russland wegen des Giftanschlages in Großbritannien ergreifen. Laut Regierungsprogramm ist Österreich ja eine „Drehscheibe zwischen Ost und West.“ Ein Kommentar von Rainhard Kloucek
Der frühere deutsche Kanzler Gerhard Schröder hat es vorgemacht. Er wechselte praktisch direkt vom Kanzleramt zu Gazprom. Der frühere österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling folgt dem Beispiel. Geld stinkt ja nicht. Als Finanzminister war Schelling Eigentümervertreter der OMV. Die OMV wiederum ist ganz eng mit der Gazprom, die Gazprom ist Teil der russischen politischen Strategie. Mit North Stream 2 wollen Gazprom und OMV eine zweite direkte Gasleitung von Russland nach Deutschland bauen. Angeblich will Europa die Abhängigkeit vom russischen Gas reduzieren. Wenn man sich anschaut, wie Russland bereits mehrmals die Gas-Waffe gegen Länder wie die Ukraine eingesetzt hat, nur weil die der Bevormundung aus Moskau entfliehen wollen, erscheint die Reduzierung dieser Abhängigkeit sehr sinnvoll.
Jetzt könnte man sagen, da kriegen halt zwei Ex-Politiker nicht genug. Blöderweise fällt die Schelling-Sache in eine Zeit, in der Russland erstens die Gas-Waffe gegen die Ukraine wieder aktiviert hat (nachdem es von einem internationalen Schiedsgericht zu einen Milliardenstrafe verurteilt wurde), und zweitens hochverdächtig ist, in Großbritannien einen Giftanschlag auf einen Ex-KGB-Spion verübt zu haben. Der Verdacht erhärtet sich nicht nur deshalb, weil das Gift in der Sowjetunion kreiert wurde, sondern vor allem deshalb, weil es dem Herrschaftssystem Russlands entspricht. Die Botschaft ist klar und unmissverständlich. Wir kriegen Euch überall, wenn Ihr Euch gegen uns stellt. Es ist eine Machtdemonstration. Moskau streitet natürlich ab, demonstriert aber damit intern nur die Macht. Ja, man hat selbst die Macht den Rest der Welt anzulügen. Europa sollte nicht den Fehler machen, Russland nach den eigenen Kategorien zu beurteilen.
Klar sollte uns auch sein, dass wir längst wieder im Kalten Krieg sind. Russland ist da ganz ehrlich, Sergej Lawrow, der russische Außenminister, hat das schon vor Jahren zugegeben. Der Kalte Krieg bedeutet für Europa, dass es politisch einig handeln muss. Sonst wird es aufgerieben. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, russische Diplomaten auszuweisen – ja, wahrscheinlich wäre es besser einmal Konten von einigen Oligarchen zu sperren, etc. –, so wie das eine Reihe von EU-Ländern aus Solidarität mit Großbritannien (als Reaktion auf den Giftanschlag) getan haben. Wenn sich die Österreichische Regierung aber auf die Neutralität und die Drehscheibenfunktion zwischen Ost und West beruft, um zwar in der Ratssitzung die Solidarität mit Großbritannien zu erklären, dann aber nichts zu tun, dann hat hier jemand in der Lagebeurteilung versagt. Die russische Politik ziel darauf ab, Europa zu schwächen. Moskau ist durch die Annexion der Krim und den Einmarsch in der Ostukraine ein Aggressor gegen Europa.
Eine Neutralität zwischen Täter und Opfer darf es nicht geben. Das ist Zynismus. Und eine Einladung an den Täter weiter zu tun.
P.S. Falls jetzt jemand wegen des Kalten Krieges nostalgisch wird: Wir müssen die Zukunft gestalten, nicht verträumt in die Vergangenheit blicken.
Beitragsbild: © European Union , 2014 / Source: EC-Audiovisual Service / Photo: Vadim Denisov