Das Panel - Moderator war Paneuropa-Präsident Karl von Habsburg. © lukasmandl.eu

„Eine Region, ohne die Europa nicht vollständig ist“ – Westbalkan-Panel am Com.sult-Kongress

Westbalkan ist im EU-Jargon der Begriff für die Länder des ehemaligen Jugoslawien plus Albanien, die noch nicht Mitglieder in der Europäischen Union sind. Diese sechs Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Makedonien, Montenegro und Serbien waren eines der Schwerpunktthemen der Com.Sult Konferenz, die Ende Jänner in Wien stattfand. Ein Bericht von Rainhard Kloucek.

Konferenz-Organisator David Ungar-Klein (Com.Sult fand heuer zum fünfzehnten Mal statt) ist als Honorarkonsul für den Kosovo selbst mit der Region eng verbunden. Knapp eine Woche vor der Präsentation der neuen Erweiterungsstrategie der Europäischen Union (eine Bewertung erfolgt in der nächsten Ausgabe unseres Magazins) hatte das Thema eine hohe Aktualität. Dazu kommt, dass mit Bulgarien im ersten Halbjahr 2018 und mit Österreich im zweiten Halbjahr 2018 in diesem Jahr zwei Länder die Ratspräsidentschaft in der EU inne haben, die schon aufgrund ihrer geographischen Lage und auch ihrer historischen Bedeutung eine besondere Verbindung mit er Region haben.

Das Panel - Moderator war Paneuropa-Präsident Karl von Habsburg. © lukasmandl.eu

Das Panel – Moderator war Paneuropa-Präsident Karl von Habsburg.
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Die Namensgebung „Westbalkan“ wurde in der Veranstaltung auch von mehreren Rednern thematisiert. Karl von Habsburg, der die Diskussion moderierte, erinnerte an die Erfindung des Begriffes noch zu der Zeit als er dem Europäischen Parlament angehörte und dort Mitglied in der Südosteuropa-Delegation war. Auf seine damalige Anfrage an die Botschafter dieser Länder, was denn von dem Begriff Westbalkan zu halten sei, antwortete einer der Diplomaten mit der Frage, was denn dann wohl die Ostbalkanstaaten sein sollen. Er plädierte für die Verwendung des Begriffes Südosteuropa.

Ivan Vejvoda vom „Institute for Human Sciences“, der früher für den German Marshall Fund tätig war, erinnerte an seine Erfahrung aus London, wo man die Region als Ost-Adria bezeichnet hatte.

Der stellvertretende makedonische Premierminister, zuständig für die europäische Integration, Bujar Osmani meinte, entscheidend am Begriff Westbalkan sei der Teil „West“ des Begriffes. Damit sei klar, dass die Integration dieser Länder in westliche Strukturen zu erfolgen habe. Damit plädierte er ganz klar für die euro-atlantische Integration, also die Mitgliedschaft seines Landes (und der Region) in Nato und EU. Ideen einer möglichen Alternative durch östliche Strukturen (ohne dabei die Länder Russland und Türkei zu nennen) erteilte er damit eine klare Abfuhr.

Karl von Habsburg, Durata Hoxha, Bujar Osmani, Ivan Vejvoda, Hedvig Morvai, Lukas Mandl © lukasmandl.eu

Karl von Habsburg, Durata Hoxha, Bujar Osmani, Ivan Vejvoda, Hedvig Morvai, Lukas Mandl
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Bereits in seiner Einleitungsrede betonte der stellvertretende makedonische Premierminister (er stammt aus dem albanischen Teil der Bevölkerung) die Bedeutung der EU-Mitgliedschaft für die politische Stabilität und wirtschaftliche Prosperität seines Landes. In der politischen Rhetorik müsse man weg vom Nationalismus, hin zu einer funktionierenden demokratischen Struktur. Galt die Region über lange Zeit als Unsicherheitsfaktor in Europa, so könne man heute sagen, sie ist nach vielen Konflikten stabil. Auch das sei eine Folge der EU-Perspektive.

Bei aller Skepsis die aufgrund einer Erweiterungsmüdigkeit in den Ländern der EU herrsche, sei klar, dass eine Mitgliedschaft der Länder Südosteuropa auch für die Länder der EU ein Gewinn sei. Den Kosten einer Aufnahme müsse man nämlich die Kosten einer Nicht-Aufnahme entgegenstellen. Damit spielte Osmani nicht nur auf die Gefahr an, dass bei einer Verschmähung durch die EU alte Konflikte und nationalistische Bestrebungen wieder verstärkt werden könnten, sondern eben auch auf das Interesse außereuropäischer Länder an der Region, die damit Europa insgesamt schwächen wollen.

Die Ministerin für europäische Integration der Republik Kosovo, Dhurata Hoxha, argumentiert ähnlich, und betonte das Hauptziel ihres Landes mit dem Weg in die EU das Land zu konsolidieren und zu einer reifen Marktwirtschaft zu entwickeln. Dabei machte sie klar, dass die notwendigen Reformen nicht wegen der EU zu machen seien, sondern für das eigene Land. „Wir brauchen Reformen, weil unsere Leute Reformen brauchen!“

Der Kosovo ist, so die Ministerin, das proeuropäischte Land. Sämtliche Untersuchungen zeigen eine ganz klare und deutliche Mehrheit für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Gemeinsam in Europa sei man stärker. Dabei spielte Dhurata Hoxha auf europäische Einheit in Vielfalt an. Bei allem Optimismus mit dem sie auf die Veröffentlichung der Erweiterungsstrategie warte, warnte sie aber auch vor jenen nach wie vor aktiven Kräften, die einen Erfolg der Integration gerne verhindern wollen.

Neben den beiden Ministern nahmen an der Diskussion unter der Moderation von Karl von Habsburg auch der österreichische Europaparlamentarier und Paneuropäer Lukas Mandl, der schon oben zitierte Ivan Vejvoda und Hedvig Morvai, Direktorin des Balkan-Fonds, teil.

Lukas Mandl, der auch Vorsitzender der österreichisch-kosovarischen Freundschaftsgesellschaft ist, verwies auf ein zusätzliches Handicap für den Kosovo. Das jüngste Land Europas – vor zehn Jahren, am 18. Februar 2008, erklärte es seine Unabhängigkeit – ist das einzige Land aus der Region, für das es noch ein Visa-Regime gibt.

Auch vom Europaparlamentarier kam eine Anspielung auf außereuropäische Staaten, die bei der Visa-Frage weniger bürokratische Kriterien anlegen, als das die Länder der EU tun. (Anmerkung: fünf Länder der EU haben die Unabhängigkeit des Kosovo nach wie vor nicht anerkannt.) Mandl betonte die stabilisierende Wirkung der EU-Erweiterung und setzt seine Hoffnung unter anderem auf die österreichische Ratspräsidentschaft in der EU, die neben Sicherheit und Subsidiarität den Westbalkan als eine der drei Prioritäten definiert hat.

Die (im weitesten Sinn) als südosteuropäisch bezeichneten Staaten bzw. Regionen. © Von Südosteuropa_2.png: Benutzer:Olahus.Original uploader was Olahus at de.wikipediaderivative work: Seader (talk) - Südosteuropa_2.png, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15019050

Die (im weitesten Sinn) als südosteuropäisch bezeichneten Staaten bzw. Regionen.
© Von Südosteuropa_2.png: Benutzer:Olahus.Original uploader was Olahus at de.wikipediaderivative work: Seader (talk) – Südosteuropa_2.png, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15019050

Auf die auf jeder Landkarte zu sehende Besonderheit der Region Südosteuropa (Westbalkan) machte Hedwig Morvai aufmerksam. Diese Staaten sind nämlich von er EU umgeben, aus allen Himmelsrichtungen. Zusätzlich brachte sie einen weiteren ganz wichtigen Aspekt in die Diskussion, der auf die Zukunft er EU abzielt. 2018, so meinte sie, werde für die Westbalkanstaaten ganz wichtig sein. Die ganze Frage, wie die EU nun mit der betonten Beitrittswilligkeit der Ländern umgehen werde, sei aber nicht nur wichtig für diese Länder, sondern eine ganz entscheidende für das zukünftige Design der EU.

Ivan Vejvoda – er hat mit seiner Tätigkeit im „Institute for Human Sciences“ seinen Sitz in Wien – verwies auf ein aus Wiener Sicht ganz wichtiges Faktum: „Wir reden hier von unserer direkten Nachbarschaft.“ Deshalb ging er auch davon aus, dass Österreich in dieser konkreten Erweiterungsfrage eine ganz wichtige Rolle spielen wird.

In Bezug auf den nun schon über Jahrzehnte währenden Streit um den Namen der Republik Makedonien setzt er große Hoffnungen auf die jüngste Annäherung zwischen Makedonien und Griechenland. Griechenland hatte ja bisher sämtliche Bemühungen Makedoniens um Aufnahme in die EU und in die Nato blockiert, weil es verhindern will, dass Makedonien den Namen Makedonien als Staatsnamen trägt. Nun kam es zu Gesprächen zwischen den Regierungen der beiden Länder, die auf eine Lösung hoffen lassen. Vejvoda zeigte sich auch optimistisch den Dialog zwischen Serbien und Kosovo betreffend. Beiden Ländern sei klar: „Ihre Zukunft ist in der EU.“