Der Balkan, Südosteuropa, ist eindeutig europäisch. Deshalb ist in der Region auch ein verstärktes europäisches Engagement notwendig. Paneuropa-Präsident Karl von Habsburg formuliert eine aussenpolitische Aufgabe für die neue österreichische Bundesregierung.
Mit Bulgarien hält im ersten Halbjahr 2018 das Kernland des Balkan – das Balkangebirge liegt in Bulgarien – die Ratspräsidentschaft in der EU inne. Die Balkanregion, im EU-Jargon Westbalkan genannt, Südosteuropa ist – neben der Schweiz und einigen Kleinstaaten – eines der letzten Territorien in Europa, das aus allen Himmelsrichtungen von EU-Staaten umgeben ist. Die Geschichte der vergangenen 150 Jahre hat gezeigt, dass diese Region immer wieder zu einem Hort der Instabilität in und für Europa geworden ist. Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen. Eine davon gründet in der Tatsache, dass dieses europäische Gebiet den starken Interessen nicht-europäischer Mächte ausgeliefert war und nach wie vor ist.
Nun ließ im Rahmen der Vorstellung des Programms der bulgarischen Ratspräsidentschaft der Botschafter dieses Landes mit der Aussage aufhorchen, dass der derzeitige Einfluss nicht-europäischer Mächte in der Region dazu führen könnte, dass einige der Balkanländer sich auch anders als europäisch orientieren könnten. Das erinnert an die schöne Geschichte vom Gespräch eines Außenministers eines dieser nicht-europäischen Länder mit einem seiner europäischen Amtskollegen. Der Europäer antwortete auf die Frage seines Kollegen, ob denn sein Land Interessen in der Region habe, mit einem klaren „Nein“. Worauf der (nicht-europäische) Fragesteller zufrieden reagierte: „Wir schon.“
2003, vor 15 Jahren, beim EU-Gipfel in Thessaloniki , hat man den Ländern des früheren Jugoslawien und Albanien die Mitgliedschaft in der EU in Aussicht gestellt. Passiert ist wenig. So hat beispielsweise Makedonien 2005 den Beitrittskandidatenstatus bekommen, bis heute aber wurden keine Beitrittsgespräche aufgenommen. Bis heute blockiert Griechenland sehr erfolgreich alle internationalen Bemühungen Makedoniens wegen eines Streits über den Staatsnamen. Bis heute weigern sich einige Länder der EU die Selbständigkeit des Kosovo, die am 17. Februar 2008, also vor zehn Jahren, erklärt wurde, anzuerkennen.
Je inhomogener die außenpolitische Linie der EU (die noch immer nur am kleinsten Nenner der Nationalstaaten in der EU hängt) gegenüber der Region ist, desto leichter wird es für andere Staaten Einfluss in der Region zu gewinnen, und damit destabilisierend auf eine notorische Krisenregion in Europa zu wirken. Der makedonische Staatspräsident Gjorge Ivanov sprach in diesem Zusammenhang einmal von der drohenden Gefahr einer „Balkanisierung Europas“ anstatt einer in der Region erhofften „Europäisierung des Balkan“.
Mit Bulgarien und Österreich haben in diesem Jahr zwei Länder die Ratspräsidentschaft in der EU inne, die mit der Region sehr eng verbunden sind. Bulgarien ist eindeutig ein Balkan-Land, und Österreich wohl auch, beginnt doch, nach einer alten Definition Metternichs, der Balkan am Rennweg. Von beiden Staaten darf deshalb erwartet werden – und die eingangs zitierte Aussage des bulgarischen Botschafters ist ein Indiz dafür –, dass sie klare Schritte für die Verwirklichung der EU-Perspektive dieser Länder setzen.
Österreich kann hier auf eine ganz klare und eindeutige Linie der Außenpolitik Bezug nehmen, die über mehrere Jahrhunderte positiv gewirkt hat. Mit einer Betonung dieser Linie besteht für Österreich auch die Chance, ein starkes europapolitisches Profil zu gewinnen. Die Europäische Union heißt ja Europäische Union. Das heißt: Sie müsste ganz Europa umfassen. Deshalb ist die Ermöglichung des Beitrittes zur EU für alle europäischen Länder eine Kernaufgabe der europäischen Politik. Die Chance für Österreich, hier in einer kontinuierlichen Linie der Außenpolitik für Südosteuropa wieder Profil zu zeigen, sollte also genutzt werden.
Der Artikel erschien ursprünglich auf der Seite von Karl von Habsburg.
Foto: Europäische Union 2016