Die Prognose war nicht schwer, und wurde bereits unmittelbar nach dem ersten Wahlgang in Frankreich formuliert. Emmanuel Macron wird der neue Präsident Frankreichs. Frankreich bleibt damit sozialistisch. Es wäre auch sozialistisch geblieben, hätte die rechtsradikale Marine Le Pen gewonnen. Inhaltlich steht sie nämlich für eine sozialistische Wirtschaftspolitik, für Staatsintervention, für den Wohlfahrtsstaat, eben begrenzt auf die eigene Nation.
Ein Kommentar von Paneuropa Generalsekretär Rainhard Kloucek
Warum Macron in verschiedenen Medien als liberal oder Kandidat der Mitte bezeichnet wird, ist schleierhaft. Sein Programm, soferne es überhaupt konkret vorliegt, lässt derartige Schlüsse nicht zu. Gewiss, er will in einigen Bereichen den Staat zurückdrängen und Reformen für die Wirtschaft machen. Das alleine macht aber noch keinen Kandidaten der Mitte oder eine liberale Politik aus. Reformen in Richtung mehr Unternehmerfreundlichkeit braucht Frankreich in jedem Fall, will es nicht an die Wand fahren.
Was ihn sympathischer als Le Pen macht, ist sein Bekenntnis zur europäischen Einigung. Aber auch das ist noch keine liberale Errungenschaft. In der Frage, welches Europa er sich für die Zukunft vorstellt, zeichnen sich bereits einige Konturen ab. Macron steht – wie sein Vorgänger und Mentor – Hollande für die Idee einer zentralen Wirtschaftsregierung in der EU, eines eigenen Parlaments für die Eurozone, für eine Schuldenunion und eine expansive Geldpolitik, also für eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die typisch für den sogenannten Club-Med in der EU ist, und die als Ursache für die vielen Krisenerscheinungen identifiziert ist. Und, er will die Stabilitätskriterien für den Euro lockern. Mit anderen Worten: er steht für weniger Markt und mehr Regulierung, also für Sozialismus und sicher nicht für Liberalismus.
Wiederbelebung der deutsch-französischen Achse?
Seine erste „Auslandsreise“ will Macron – so wie auch seine Vorgänger – nach Deutschland machen. Befürworter der deutsch-französischen Achse als eine Art Führung der EU erhoffen sich dadurch eine Wiederbelebung der deutsch-französischen Achse. Hier gilt abzuwarten, ob Macron tatsächlich für einen neuen, europäischen Politikstil steht, oder ob er in die alten Muster von Hegemonialansprüchen verfällt.
Die französischen Präsidentenwahlen haben unter anderem gezeigt, dass das alte rechts-links Schema längst überholt ist. Le Pen mag aufgrund ihrer nationalistischen Töne als rechts gelten, in der Wirtschaftspolitik ist sie das aber gewiss nicht, da passt die Programmatik des Front National eher ins linke Schema. Wobei auch der Nationalismus auf kollektivistischen, also doch eher linken Mustern beruht. Macron kommt aus der sozialistischen Partei, hat ihr seine politische Karriere zu verdanken, wird trotzdem als liberal bezeichnet. Das entscheidende politische Unterscheidungsmerkmal von heute besteht aber zwischen den Freunden der Freiheit und den Freunden des paternalistischen, regulierenden und intervenierenden Wohlfahrtsstaates auf der anderen Seite. Es gibt bisher keine wirklichen Anzeichen dafür, dass Macron sich zu einem Freund der Freiheit entwickeln könnte.
Parallelen zu Österreich?
Die zweite Lehre aus der Wahl ist die Schwäche des Parteiensystems. Hier tun sich Parallelen zu Österreich auf, denn auch hierzulande sind in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl die Kandidaten der bisher regierenden Parteien durchgefallen. So wie Alexander van der Bellen seine gesamte politische Karriere in einer Partei gemacht hat, dann aber als unabhängiger Kandidat angepriesen werden konnte, so hat auch Macron seine politische Karriere in einer Partei gemacht, diese vor der Wahl verlassen und mit Hilfe dieser Partei und einiger anderer Experten eine neue Wahlbewegung aufgebaut, die sich unter dem Schlagwort der Unabhängigkeit verkaufte.
Allerdings: Die Prognose – Frankreich bleibt sozialistisch – könnte doch falsch sein. Dann nämlich, wenn bei den Parlamentswahlen im Juni eine andere Mehrheit gewählt wird. Prognosen dazu getrauen sich auch Kenner der französischen Politik nicht abgeben. Zu unklar ist, ob jene Bewegung, die Macron in den Elysee-Palast gespült hat (das Alternativangebot war ja nicht wirklich attraktiv, Fillon hatte sich mit seinen früheren Aktivitäten selbst geschadet und war damit ein leichtes Opfer für die Gegner) tatsächlich eine neue Kraft in Frankreich entstehen lässt, oder ob der Sieg nur eine Absage an die Mitbewerber war. Seit der ersten Runde der Wahl haben die bürgerlichen Parteien Zeit, sich für die Parlamentswahlen zu rüsten. Wobei das politische System Frankreichs insgesamt etatistisch, zentralistisch und paternalistisch ausgerichtet ist.
Beitragsbild: Emmanuel Macron bei einer Rede als französischer Wirtschaftsminister, c Europäische Union 2016