Quelle: BMI / https://wahl17.bmi.gv.at/

Fünf Gewinner, ein Verlierer

Es gehört mittlerweile zum oftmals peinlich anmutenden Wahltags-Ritual, dass sich Parteien grundsätzlich zu Sieger der Wahl erklären. Ein Kommentar von Patrick Minar.

Kleinste Stimmenzuwächse, geringeres Minus als gedacht, Mandate gehalten, Umfragen als Ausgangspunkt, etc. keine Argumente sind zu blöd. Anders bei dieser Wahl: Völlig zu Recht können fünf Parteien mit dem Ergebnis absolut zufrieden sein, nur bei einer war das Debakel so offenkundig, dass selbst einem noch so gewieften Spindoktor wohl nichts mehr eingefallen ist.

 

Die drei „Kleinen“: Von Jubel bis Enttäuschung

Untenrum ist es schnell erzählt. Die Grünen haben erkennen müssen, dass sie keineswegs so stark strukturell in der Gesellschaft verankert sind, als dass man es ihnen verzeihen würde, das beste Pferd im Stall schlecht zu behandeln. Trittsicher kilometerweit entfernt von den Wählern wichtigen Fragen, haben sie sich selbst an die Kippe ihrer Existenz gebracht (zum Zeitpunkt des Verfassens des Kommentars fehlte noch die Auszählung der Wahlkarten) und werden sich – egal ob der Parlamentseinzug am Ende noch drinnen ist, oder nicht – ein Stück weit neu erfinden müssen, eine Raison d’Être finden, die über Klima-Lamento und Anti-FPÖ hinausgeht.

Die Neos blieben auf niedrigem Niveau stabil, könnten aber Zünglein an der Waage werden. (cc-by-sa Nicole Heiling)

Die Neos blieben auf niedrigem Niveau stabil, könnten aber Zünglein an der Waage werden.
(cc-by-sa Nicole Heiling)

Der alte Haudegen Peter Pilz hingegen, hat, wie so oft in seiner politischen Vita, richtigen politischen Instinkt bewiesen und sein eigenes Standing, das der mit ihm assoziierten Themen und das seiner ehemaligen Parteifreunde richtig eingeschätzt, die Gunst der Stunde genutzt und mit einer linkspopulistischen Partei reüssiert – von der Idee, „sicher keine neue Partei zu gründen“, ist man schnell wieder abgekommen, spätestens, nachdem man sich das Parteifinanzierungsgesetz etwas genauer angesehen hatte.

Die große Befürchtung von Neos war es, in der Zuspitzung auf die Führungsfrage zwischen den drei großen Parteien durch das Lost-Vote-Argument zerrieben zu werden. Durch einen gut konzipierten, weitgehend fehlerfreien Wahlkampf, wen auch mit unleserlichen Plakat-Slogans, ist es gelungen, nie in diese unheilbringende Debatte zu kommen, sondern sich über die längste Zeit des Wahlkampfes als zwar kleine, aber stabil im Nationalrat befindliche Kraft der inhaltlichen Erneuerung zu positionieren.

 

Kurz-Wahlkampf: Strategisch gut ausgeführt

Für ÖVP-Chef Sebastian Kurz machte sich im Wahlausgang vor allem seine inhaltliche Konsistenz bezahlt. By Dragan Tatic - https://www.flickr.com/photos/minoritenplatz8/35815236486/in/album-72157686129500245/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61063684

Für ÖVP-Chef Sebastian Kurz machte sich im Wahlausgang vor allem seine inhaltliche Konsistenz bezahlt.
By Dragan Tatic, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61063684

Beim innenpolitischen Tirumvirat aus ÖVP, SPÖ und FPÖ ging es zeitweise hoch her. Die von schwarz zu türkis mutierte ÖVP unter dem neuen Obmann Sebastian Kurz legte eine für Österreich neue Form der Wahlkampfinszenierung unter der professionellen Führung des Kampagnen-Profis Philipp Maderthaner aufs heimische Parket und überstrahlte damit da und dort inhaltliche Schwächen.

Wesentlicher Erfolgsfaktor war jedoch das konsequente „stay on the message“, das Kurz zwar in der Twitteranten-Blase der Politjunkies Kritik einbrachte, jedoch exakt auf die Bedürfnisse der Wähler abgestimmt war. Das zeigen sehr klar die Nachwahlanalysen. Kollateralschäden, durch erfolgreiche Ausweitung der Silberstein-Affäre durch die SPÖ auf die ÖVP, trübten das Wahlkampfinish etwas ein, änderten jedoch nichts mehr am großen Erfolg der ÖVP.

 

SPÖ: Nach Turbulenzen doch noch stabil

Das spannendste Ergebnis legte die SPÖ hin. Mit rund 27 Prozent der Stimmen bestätigt Parteiobmann Kern natürlich das historisch schlechteste Ergebnis der Sozialdemokratie, angesichts der verheerenden Ausgangslage ist jedoch Respekt zu zollen. Eine Wahlkampagne kann kaum schlechter laufen als das diesmal der Fall war.

Ein angesehener Kampagnenprofi warf frühzeitig das Handtuch, da er offenbar den Braten roch, sich prügelnde Mitarbeiter, innerparteiliche Flügelkämpfe und schließlich die fatalen Leaks mit wenig schmeichelnden internen Psychogrammen des Bundeskanzlers und über das Treiben des international bestens bekannten Beraters Tal Silberstein, der für die SPÖ Facebook-Seiten zweifelhaften Geschmacks und andere Untergriffe organisierte.

 

Blame it on the Weatherman

Die SPÖ unter Christian Kern blieb überraschend stabil. Die Gründe dafür waren aber nicht unbedingt eigene Verdienste. © SPÖ/Zach-Kiesling

Die SPÖ unter Christian Kern blieb überraschend stabil. Die Gründe dafür waren aber nicht unbedingt eigene Verdienste.
© SPÖ/Zach-Kiesling

Bemerkenswert die anschließende Kommunikationsstrategie der SPÖ, wonach eigentlich niemand dafür verantwortlich war, keiner etwas wusste, sich jeder distanzierte, aber trotzdem viel Geld bezahlt wurde. Übrig blieb ein Parteimitarbeiter, der offenbar in Eigenregie, ohne Abstimmung mit dem Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager, oder gar dem Parteichef agiert hatte. Ein bemerkenswertes Eigenleben…

Spannend, dass dieser Spin funktionierte und es der SPÖ tatsächlich gelang, ein Bild zu entwerfen, wonach alle gleich schäbig und alle gleichrangig beteiligt waren. Es drängt sich die Frage auf, was denn eine Partei wie die SPÖ tun muss, um vom Wähler so richtig abgestraft zu werden? Man weiß es nicht. Fest steht, dass die viel geschmähte Wiener SP gestanden ist wie ein Fels und damit ein mehr als respektables Ergebnis der gebeutelten Bundes-SP sichergestellt hat. Innerparteilich stellt das Ergebnis eine Stärkung der Anti-FPÖ-Fraktion unter der Führung des Wiener Bürgermeisters Michael Häupel dar, die Blauverbinder wie der burgendländische Hans Niessl wurden geschwächt.

 

Freiheitliches Ruhig-Blut

Relativ geruhsam lief der Wahlkampf für die FPÖ, nachdem ihr die sonst überlassene Rolle des

Kern, Pilz, Strache: Drei ungleiche Kontrahenten. Bleiben sie das? Von SPÖ Presse und Kommunikation - CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63411766

Kern, Pilz, Strache: Drei ungleiche Kontrahenten. Bleiben sie das?
Von SPÖ Presse und Kommunikation – CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63411766

bösen Buben von der SPÖ abgenommen wurde. Unter der Führung des dienstältesten Parteichefs Heinz Christian Strache kamen ihr die Turbulenzen zwischen SPÖ und ÖVP zu Hilfe, war sie doch bis dahin inhaltlich unter Druck, weil ihr die Kurz-ÖVP frech, aber konsequent ihre Leibthemen Asyl, Integration und Zuwanderung vom Teller schnappte und in viel dosierterer Sprache den Wählern präsentierte.

Das Ergebnis ist nur ganz knapp unter dem historischen Höchststand von 1999 und bringt damit das dritte Lager in die Lage des Königsmachers. Im Detail spannend ist die Erkenntnis, dass die FPÖ nach der Präsidentenwahl nun schon zum zweiten Mal gerade in Wien schwächelt und dort nicht das notwendige Ergebnis auf die Straße bringt, um bundesweit noch weiter vorne zu liegen.

 

Koalitionspoker

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Ergebnisse nach Bundesländern. Quelle: BMI / wahl17.bmi.gv.at

Womit man abschließend bei der Frage ist, wie es nun weitergeht. Alle Zeichen stehen auf Schwarzblau. Es ist jedoch ein beinharter Verhandlungspoker zu erwarten, bei dem zu sehen sein wird, wer weiter die Hose runter zieht. Die FPÖ hat hierzu die strategisch optimale Ausgangssituation im Gepäck: Selbst ein starkes Ergebnis, plus durch den dritten Platz bedingten zwei Optionen, wobei beide so stark sind, dass sie mit ausreichend Selbstbewusstsein in Verhandlungen treten können. Blaurot ist für Christian Kern die einzige Konstellation, um Kanzler zu bleiben und gleichzeitig von größter Bedeutung für die machtbewusste SPÖ, da sie sonst in den meisten Ländern und Ebenen extrem schwach aufgestellt ist.

Die ÖVP hingegen steht ebenfalls unter ordentlichem Zugzwang, denn als Oppositionsführer hat man Sebastian Kurz nicht zum Obmann gemacht und auch eine Neuauflage von Schwarzrot unter anderen Vorzeichen würde wohl nicht dem Wählerwillen der Kurz-Unterstützer entsprechen bzw. ist eine derartige Neuauflage angesichts der zuletzt tief fliegenden Hackeln zwischen den beiden Parteien wohl nicht sehr realistisch.

Was derzeit einmal steht ist eine historische Wahl, bei der die SPÖ als Kanzlerpartei abgewählt wurde, die ÖVP als historisch höchst seltenes Ergebnis den ersten Platz erreichte, die Grünen zerbröselt sind und um die Existenz kämpfen müssen und mit der Liste Pilz ein neuer Akteur am Spielfeld steht.

Es bleibt interessant.

 

Patrick Minar ist Partner der Wiener Kommunikationsagentur Schneider | Minar | Jenewein Consulting. Twitter: @LitigationTweet

 

Paneuropa-Nachwahlanalyse.

Teil 1: „Der nächste Zug?“ von Lukas Leitner.

Der nächste Zug? Versuch einer Nachwahlprognose.

 

Teil 2: „Linke Defizite als Väter des Rechtsrucks“ von Wilhelm Ortmayr.

Linke Defizite als Väter des Rechtsrucks

 

Teil 3: „Fünf Gewinner, ein Verlierer“ von Patrick Minar