Geopolitik und Menschenrechte

In Belarus demonstrieren die Menschen gegen den Langzeittyrannen Alexander Lukashenko. Es geht um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Aber es geht auch um Geopolitik. Ein Kommentar von Karl von Habsburg


Die massiven Wahlfälschungen in Belarus haben die Bürger des Landes gegen den Langzeitherrscher Alexander Lukashenko aufgebracht. Der Diktator, dessen Regime auch nicht vor Mord zurückschreckt, stammt noch aus der Sowjetzeit. Seine Tage sind wohl gezählt. Die Frage ist, wie seine Ablösung erfolgen wird.

Der große Nachbar im Osten, Russland, der Belarus als Teil seines Machtbereiches sieht, wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Putin kann es sich nicht erlauben, wie in der Ukraine vorzugehen. Er würde damit Belarus bzw. die Bevölkerung des Landes verlieren. Für die spielt momentan die Frage der Beziehungen zu Russland kaum eine Rolle. Das ist einer der großen Unterschiede zur Revolution der Würde in der Ukraine. Da spielte die europäische Orientierung eine gewichtige Rolle. Der entscheidende Punkt für Belarus ist der Rückzug Lukashenkos.

Noch hat der russische FSB (also der Nachfolger des sowjetischen KGB) genug Einfluss auf den belarussischen KGB (der heißt dort noch so), um eine systeminterne Ablösung von Lukashenko zu organisieren. Ob das den Bürgern des Landes genügen wird, ist allerdings zu bezweifeln. Sie wollen heraus aus dem alten Sowjetsystem, für das Lukashenko genauso steht wie Putin.

Der russische Langzeitaußenminister Sergij Lawrow hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass es in Belarus um eine geopolitische Frage geht. Vom EU-Ratspräsidenten kam darauf die Antwort, dass es hier nicht um Geopolitik, sondern um Menschenrechte geht.

Natürlich geht es um Menschenrechte und Freiheitsrechte. Aber genauso geht es um Geopolitik. Allein die Aussage von Lawrow ist schon ein klarer Beweis dafür, dass für Moskau die Menschenrechte nicht die geringste Rolle spielen, sondern das geopolitische Interesse Russlands im Vordergrund steht. Moskau will seinen Machtbereich behalten, ja sogar ausbauen. Dementsprechend laufen auch die Desinformationskampagnen, die in Europa von Trollen aller Art verbreitet werden. Das Muster ist das gleiche wie beim Euromaidan: Faschisten versuchen in Minsk die Macht zu übernehmen, die USA würden einen Putsch organisieren, die Nato will einmarschieren.

Die EU hat lange versucht zu Belarus und Lukashenko ein entspanntes Verhältnis aufzubauen. Diese Politik ist gescheitert. Lukashenko selbst hat sie zerstört. Nun geht es darum, der Demokratiebewegung eine Perspektive zu geben.

Der Artikel erschien ursprünglich auf der Seite von Karl von Habsburg.