Gerüchte, Propaganda und Zensur

Oft verbreiten sich Gerüchte oder fake news wesentlich schneller als die eigentlichen Fakten. Ein Kommentar von Karl von Habsburg.

Im vor hundert Jahren zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieg gab es eine Zensur. Zensur bedeutet unter anderem, dass nur mehr jene Nachrichten in Zeitungen stehen dürfen, die den politischen Vorgaben entsprechen. Damit war die Nachrichtenlage sehr dürftig. Der Hunger nach Information war aber vorhanden. Man könnte es vergleichen mit einem staatlich kontrollierten „Markt“, in dem Produkte nur mehr nach politischen Kriterien angeboten werden, oder auf Bezugsschein. Die Folge davon ist ein blühender Schwarzmarkt.
Der Schwarzmarkt im Nachrichtenmarkt waren die Gerüchte. Mit dem großen Unterschied, dass man auf dem Schwarzmarkt für Produkte normalerweise überprüfen kann was man bekommt, während bei Gerüchten der Wahrheitsgehalt nicht wirklich überprüfbar ist. So verbreiteten sich teilweise die absurdesten Gerüchte, die fern jeder Realität waren, aber den Nachrichtenhunger stillen konnten.
Heute würde man wahrscheinlich von alternativen Fakten oder fake news sprechen, die sich über soziale Medien, etc. rasch verbreiten.
Obwohl es heute keine Zensur gibt, sind Gerüchte, die mit der Wirklichkeit nur insofern zusammenhängen, als sie – zumindest teilweise – auf ein reales Ereignis Bezug nehmen, Teil der täglichen Informationen die wir über verschiedene Kanäle bekommen. Und weil diese Gerüchte, diese bewusst gestreuten Falschmeldungen, als eine Nachrichtensensation erscheinen, zu der man plötzlich Zugang hat, und die noch dazu Licht in eine Angelegenheit zu bringen scheinen, verbreiten sie sich oft sehr viel schneller als die Fakten.
Dieses Faktum macht sich die gesamte Propagandamaschinerie zunutze, wie sie beispielsweise in den Troll-Fabriken des Kremls betrieben wird. Das war zu beobachten beim Abschuss der niederländischen Passagiermaschine in der Ostukraine, davor bei der Revolution der Würde in der Ukraine und vielen anderen Beispielen.
Wenn also im Krieg aufgrund der Zensur Gerüchte zur Nachrichtenquelle werden, und wir heute beobachten, wie Gerüchte und Desinformation als Faktenlage aufgenommen werden, darf man sich gelegentlich die Frage nach dem Umkehrschluss stellen: deuten die vielen Gerüchte, die massive Desinformation auf einen Krieg hin? Sie sind zumindest Teil eines hybriden Krieges. Und auch der kann gefährlich sein. Schließlich kann man vernünftige Entscheidungen nur auf Basis von Fakten treffen, nicht auf Basis von fake news oder Gerüchten.

Der Artikel erschien ursprünglich auf der Seite von Karl von Habsburg.