In wenigen Tagen wird die Erweiterungsstrategie der EU publiziert. In den Ländern Südosteuropas hofft man – zu Recht – auf neue Impulse Richtung Aufnahme in die EU. Ein Kommentar von Karl von Habsburg.
2003, das wurde in diesem Blog schon des öfteren erwähnt, eröffnete die EU mit dem Gipfel von Thessaloniki den Ländern Südosteuropas – im EU-Jargon Westbalkan genannt – in London war auch der Begriff Ost-Adria gebräuchlich – eine klare Beitrittsperspektive. Makedonien beispielsweise bekam 2005 den Kandidatenstatus, einen konkreten Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gibt es bis jetzt noch nicht. Einer der Gründe dafür ist eine Blockade durch Griechenland, das verhindern will, dass Makedonien offiziell den Staatsnamen Makedonien führt. Trotz vieler Milliarden die an finanzieller Hilfe nach Griechenland fließen, hat die EU nicht ausreichend Druck aufgebaut, um das Land von seiner Blockadehaltung abzubringen. Nun gab es in den vergangenen Wochen eine spürbare Annäherung zwischen Griechenland und Makedonien, die viele Beobachter hoffen lässt, dass der Namensstreit bald gelöst werden kann. Aus österreichischer Sicht muss man sagen, wir reden hier über Länder, die in unserer direkten Nachbarschaft liegen, die zu einem beachtlichen Teil auch eine historische Verbindung mit Österreich haben. Deshalb ist in der Region auch die Hoffnung groß, dass es im zweiten Halbjahr 2018, während der Ratspräsidentschaft Österreichs in der EU, zu konkreten Schritten Richtung Erweiterung kommt. Der „Westbalkan“ wird auch einer der Schwerpunkte dieser Ratspräsidentschaft sein.
Die Frage EU-Erweiterung und eine konkrete Perspektive für die Länder Südosteuropas spielte auch eine wichtige Rolle bei der Com.Sult Konferenz, die Anfang der Woche in Wien durchgeführt wurde. Politiker und Experten aus der Region brachten die Hoffnung zum Ausdruck, dass das Jahr 2018, unter anderem aufgrund der neuen Erweiterungsstrategie der EU-Kommission, die nächste Woche veröffentlicht wird, die Tür Richtung EU deutlich öffnen wird. Öffentliche Äußerungen des zuständigen EU-Kommissars Johannes Hahn (ein Österreicher), in denen er das Jahr 2025 als ein mögliches Datum eines Beitrittes zumindest für einige Länder genannt hatte, beflügeln diese Hoffnung klarerweise. Sie erwarten auch konkrete Daten für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.
Hier könnte die Kommission – selbstverständlich nur mit Zustimmung des Rates – auf eine Erfahrung aus der großen Erweiterungsrunde des Jahres 2004 zurückgreifen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges war die Tür für die europäischen Länder des ehemaligen Ostblocks offen, es wurden Beitrittsverhandlungen mit fast allen Ländern eröffnet. Das spornte den Eifer der einzelnen Länder an, im Wettbewerb möglichst gute Ergebnisse im Verhandlungsprozess zu bringen. Gleichzeitig hatten die Länder auch eine Möglichkeit Vergleiche zu ziehen. Und auch in der EU hatte man diese Vergleichsmöglichkeit. Jedes Land sollte nach seinen eigenen Fortschritten beurteilt werden, aber es war klar, dass der Beitritt allen offen steht.
Einen ähnlichen Weg könnte man nun auch für die Länder des ehemaligen Jugoslawien – außer Slowenien und Kroatien, die bereits in der EU sind – und Albanien wählen. Es wurde auch die Idee geäußert, einzelne Kapitel gemeinsam zu verhandeln. Genannt wurden dabei jene Kapitel, in denen es um die Rechtsstaatlichkeit geht. Die ist klarerweise eine Voraussetzung für einen EU-Beitritt. Und sie ist auch ein entscheidender Punkt zur Überwindung vieler Probleme in diesen Ländern, in denen die alten Strukturen noch nicht gänzlich überwunden sind.
Nicht zu vergessen ist die wirtschaftliche Verflechtung der Länder Südosteuropas mit den Staaten der EU. Gerade Österreich ist hier in einer besonderen Rolle eines engen wirtschaftlichen Austausches. Das bedeutet, für den ökonomischen Prozess ist die Erweiterung bereits vorweggenommen. Dieses Argument sollte auch jene überzeugen, die noch immer die Probleme in den Vordergrund stellen. Ein offener Markt bringt allen Seiten etwas, löst also auch für die Länder des Balkans manche Probleme, und er trägt gleichzeitig zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung der EU-Länder bei. Wohlstand schafft man nicht durch Abschottung, sondern durch regen Handel.
Aus sicherheitspolitischer Perspektive gibt es ohnehin keine vernünftige Alternative zu einer Aufnahme der südosteuropäischen Länder in die EU. Je länger die EU hier zögert, umso mehr werden nichteuropäische Mächte versuchen, in der Region ihre Einflusspolitik zu verstärken. Das aber kann nur zu einer Schwächung Europas insgesamt führen, und damit nicht im Interesse der EU-Länder liegen.
Der Artikel wird auch auf der Seite von Karl von Habsburg veröffentlicht.
Das Beitragsbild stammt von der Südosteuropadiskussion im Rahmen der Com.Sult Konferenz. Von links: Karl von Habsburg; Bujar Osmani, stellvertretender Premierminister für europäische Fragen, Makedonien; Dhurata Hoxha, Ministerin für europäische Integration, Kosovo; Ivan Vejvoda, Permanent Fellow, Institute for Human Scienes, war früher beim German Marshall Fund; Hedvig Morvai, Executive Director at European Fund for the Balkan; und der Europaparlamentarier und Vorsitzende der österreichisch-kosovarischen Freundschaftsgesellschaft Lukas Mandl.