Persönliche Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind Grundlagen der europäischen Identität; die EU braucht eine europäische Außenpolitik, die Grundlage eines Verfassungsvertrages sein soll; Lukashenko soll wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden. „Rede zur Zukunft Europas“ von Karl von Habsburg, gehalten am 11. Jänner 2022.
Als wir heute vor einem Jahr die Rede zur Zukunft Europas aufgrund der Corona Situation als Online-Veranstaltung durchführen mussten, waren wir im Team, das diese Veranstaltung vorbereitet hat, noch optimistisch, dass es in diesem Jahr zu einer echten Veranstaltung, mit persönlicher Anwesenheit, kommen wird. Als dann im Oktober des Vorjahres die Infektionszahlen wieder deutlich zu steigen begannen, haben wir die Entscheidung getroffen, die Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder online durchzuführen. Natürlich wäre es auch mir lieber, wir könnten nach der Rede noch bei einem Glas Wein die Eindrücke und Inhalte aus der Rede persönlich besprechen, aber besondere Umstände erfordern besondere Lösungen. Sie erfordern eine gewisse Bereitschaft auf die gegebene Lage zu reagieren, und trotzdem das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Das Ziel dieser Rede zur Zukunft Europas, die ich jedes Jahr am 11. Jänner halten werde, ist es, europapolitische Fragestellungen einerseits ganz grundsätzlich zu behandeln, andererseits aber auch anhand von aktuellen Herausforderungen zu besprechen. Und, es sollen immer auch konkrete politische Vorstellungen zur Gestaltung der Europapolitik gemacht werden, an deren Umsetzung wir weiterarbeiten müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde!
Die gegebene Lage ist unter anderem nach wie vor durch ein Virus gekennzeichnet. Wenn ich das so sage, dann nicht, weil ich jetzt einen Vortrag über Viren halten möchte – das könnte ich gar nicht – sondern weil die Herausforderungen, mit denen uns dieses Virus namens Covid-19 in all seinen Mutationen konfrontiert hat, eine europäische Dimension hat. Genaugenommen hätten die Herausforderungen, mit denen das Virus die europäische Politik konfrontiert hat, Europa, die Europäische Union, die europäische Einigung stärken müssen. Wenn wir heute, knapp zwei Jahre nach Beginn dieser Pandemie die Lage beurteilen, dann müssen wir feststellen, dass leider das Gegenteil der Fall ist, dass heute die Spaltungstendenzen größer sind als davor.
Erinnern wir uns zurück. Im Februar 2020 hat die Europäische Kommission auf das Problem aufmerksam gemacht und eine gemeinsame Vorgehensweise vorgeschlagen. Die EU hat keine Gesundheitskompetenz, also konnte die Kommission nicht selbst handeln, sondern nur versuchen, Koordinierungmaßnahmen zu setzen.
Die Reaktion aus den Mitgliedsstaaten war einstimmig: wir haben alles unter Kontrolle, wir meistern die Situation schon. Was dann kam, wissen wir auch noch: man hat nicht nur einen Lockdown verhängt, sondern auch versucht sich gegenseitig notwendige Ausrüstung wegzuschnappen. Im Endeffekt hatten wir zwei Jahre hindurch fast geschlossene Grenzen, die wiederum weitere Verwerfungen beispielsweise in der Industrie verursacht haben. Nur bei der Beschaffung der Impfstoffe hat man sich doch entschieden gemeinsam vorzugehen.
Die Krise sollte Europa stärken
Dabei wären alle Voraussetzungen da gewesen, um Europa durch diese Krise zu stärken. Bereits vor zirka zehn Jahren wurde ein Papier über die europäische Verteidigung publiziert, in dem als ein mögliches Bedrohungsszenario eine Pandemie genannt wird, die aus Asien kommt. Man hätte also vorbereitet sein können. Das Prinzip der Solidarität ist in den europäischen Verträgen vorhanden. Es werden wohl wenige Menschen wissen: es gibt sogar einen EU-Kommissar für Krisenmanagement.
Es wären also Instrumente da gewesen, um europäisch auf diese globale Herausforderung zu reagieren. Noch dazu, es waren ja keine nationalen Interessen betroffen, sondern es waren alle Bürger der Europäischen Union, und sogar die Politiker direkt betroffen. Die europäische Dimension war also eindeutig vorhanden.
Die entscheidende Frage in einer Krise ist immer die, wie man darauf reagiert. Nimmt man die Herausforderung – im konkreten Fall eine globale Herausforderung, die ja nicht nur auf Gesundheitspolitik beschränkt ist, sondern auch geopolitische und wirtschaftliche Aspekte hat – an, und reagiert gemeinsam, oder gräbt man alte politische Muster wieder aus und zieht sich in die scheinbare Sicherheit des Nationalstaates zurück.
Wie man reagiert, wie die Politik reagiert, ist aber eine Frage der politischen Weitsicht. Es ist eine Frage der politischen Führung, eine Frage der europäischen Idee. Ich habe sehr stark den Eindruck, dass wir diese europäische Idee in den Staatskanzleien Europas aber auch im Leitungspersonal auf EU-Ebene verschüttet haben und stattdessen mit seelenlosen ideologischen Konzepten eine Politik machen, die im Idealfall noch einen zeitlichen Horizont bis zur nächsten Wahl hat, im Normalfall aber durch die Termine der Pressekonferenzen gekennzeichnet ist.
Wir müssen uns also die Frage stellen, was denn die Seele Europas ausmacht, und wir müssen diesen Kampf um die Seele Europas wieder aufnehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es so etwas wie eine Seele Europas gibt, liegt auf der Hand, immer wieder wurde sie von Politikern angesprochen, und gefordert, dass man Europa eine Seele geben müsse.
Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors sprach davon, da man einen Binnenmarkt alleine nicht lieben könne. Ursula von der Leyen, die aktuelle Präsidentin der Kommission nahm in ihrer Rede zur Lage der Union im September 2021 Bezug auf die Seele Europas. Die Rede trug sogar den Titel „Die Seele unserer Union stärken“. Im Gegensatz zu Delors dürfte sie also davon ausgehen, dass es diese Seele gibt, und man sie nicht erst schaffen müsse. Und sie zitierte dazu Robert Schuman, einen der Gründerväter der Europäischen Union nach dem Zweiten Weltkrieg: Ich zitiere: „Europa braucht eine Seele, ein Ideal und den politischen Willen, diesem Ideal zu dienen.“ Zitat Ende.
Politik braucht klare Zielvorstellungen
Robert Schuman hat damit in einem Satz sehr präzise dargestellt was Politik bedeutet: einem Ideal, einer Zielvorstellung folgen. Politik ist mehr als nur die Umverteilung von Wohlfahrtsleistungen zur Befriedigung der eigenen Wählerklientel. Die heutigen Politiker verwenden gerne den Begriff der Resilienz. Der Wohlfahrtsstaat ist aber genau das Gegenteil von Resilienz. Politik braucht ein strategisches Leitbild. Viele würden heute von einem Narrativ sprechen. Dazu muss man sich aber auch im Klaren sein, was denn die ursprüngliche Idee der europäischen Einigung war, und auf welcher Wertebasis diese Idee einer Europäischen Union gebaut sein soll.
Nach 1945 war es ganz sicher die Sehnsucht nach Frieden in Europa. Zwei Weltkriege, die im Nationalismus und in totalitären Ideologien ihre Wurzeln hatten, haben in Europa nicht nur massiven Schaden – menschlich und wirtschaftlich – angerichtet, sondern den Kontinent auch noch durch einen Eisernen Vorhang geteilt. Die alte Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland musste überwunden werden, um im Westen eine Friedensordnung stabilisieren zu können, und der Gefahr eines aus dem Kalten Krieg erwachsenden heißen Krieges zu entkommen. Dieser Gründungsgedanke der heutigen Europäischen Union war so erfolgreich, dass er nicht nur dieses Ziel der Friedenssicherung innerhalb der Gemeinschaft erreichen konnte, sondern auch soviel Attraktivität entwickelt hat, dass die Länder Mittel- und Osteuropas nach Ende der Sowjetherrschaft den Beitritt in diese Gemeinschaft angestrebt haben. Blickt man mit offenen Augen in die Region Südosteuropa, oder auch in Länder wie der Ukraine oder Georgien, dann wird man auch dort diesen Beitritt zur EU als Ziel der Politik erkennen. Nur eine falsche Politik der EU und ihrer Mitgliedsländer könnte diesen Wunsch zunichte machen.
Wir müssen aber ehrlich zu uns selber sein: Liebe Freunde, das Narrativ von der Friedenssicherung hat seine Attraktivität verloren. Das hängt einerseits damit zusammen, dass die EU weder Instrumente hatte, um den Mörderbanden des Slobodan Milosevic etwas entgegenzusetzen, noch ein Mittel gefunden hat, um den Bestrebungen des Vladimir Putin, das Territorium der Sowjetunion wiederherzustellen, Einhalt zu gebieten. Andererseits wird das Narrativ von der Friedenssicherung für eine junge Generation, die innerhalb der EU keinen Krieg mehr gesehen hat, immer unglaubwürdiger. Friede ist da, er wird als selbstverständlich genommen, genauso wie die Urlaubsreise oder das Smartphone.
Wir schreiben heuer das Jahr 2022. Vor 100 Jahren ist in Wien eine Organisation gegründet worden, die heute noch als Ursprung der Idee der europäischen Einigung gilt: die Paneuropa-Union. Am 17. November 1922 hat Richard Coudenhove-Kalergi in der Neuen Freien Presse seinen Aufruf „Paneuropa. Ein Vorschlag“ veröffentlicht. Bereits zwei Tage davor hat er diesen Aufruf in der Vossischen Zeitung in Berlin publiziert. Es wird deshalb auch von 17. bis 20. November 2022 in Wien ein Jubiläumskongress der Paneuropa-Union stattfinden.
100 Jahre Paneuropa
Der Jubiläumskongress zu 100 Jahre Paneuropa wird mit einem stolzen Blick auf die Geschichte der Organisation die Tür in die Zukunft der Paneuropa-Idee und der europäischen Einigung öffnen. Nach einem Rückblick auf den Werdegang der Paneuropa-Union wird der Schwerpunkt auf die Diskussion wichtiger paneuropäischer Themen für die weitere Gestaltung der europäischen Einigung gelegt werden: Europäische Außenpolitik, Europäische Sicherheitspolitik, Europäische Wirtschaftspolitik, Binnenmarkt, Identität und Seele Europas.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie heute schon ganz herzlich dazu einladen. Natürlich sind wir optimistisch, dass wir die Corona-Lage bis dahin so weit unter Kontrolle haben, dass diese Veranstaltung in persönlicher Anwesenheit stattfinden kann.
Werfen wir einen Blick auf die Entstehung dieser Paneuropa-Union und auch auf den historischen Hintergrund, der Richard Coudenhove-Kalergi geprägt hat. Er wurde in Japan geboren. Sein Vater Heinrich war der österreichische Gesandte am japanischen Kaiserhof. Richard kam als Kind nach Europa, ins Schloss seiner Familie, nach Ronsperg in Böhmen. Aus Japan kommend konnte er Europa wohl als Ganzes sehen. Es war die Heimat seines Vaters, während Asien die Heimat seiner Mutter war. Richard wuchs in einem übernationalen Staat, der Habsburger-Monarchie auf, die auch sein Denken sehr stark geprägt hat. Ihn einer einzigen Nation zuzurechnen ist wohl unmöglich. Die Familie hatte Wurzeln in ganz Europa, von Griechenland bis in die Niederlande und nach Böhmen, durch die Mutter auch bis ins ferne Asien. Es gab damals noch so etwas wie eine europäische Ordnung. Es waren europäische Mächte, die über die Weltpolitik bestimmten.
Unbestritten prägte das christliche Weltbild das Leben und die Kultur in Europa. Coudenhove bezeichnete Europa als eine Schicksalsgemeinschaft, „gegründet auf Monogamie und Familie, auf Privateigentum, auf gleiche Sitten und Feste, auf gleiche Religion, gleiche Tradition, gleiche Ehr- und Moralbegriffe, gleiche Vorurteile“. Selbst beim Privateigentum können wir aufgrund der exorbitanten Steuerbelastung nicht mehr sicher sein, ob das heute noch allgemein gilt.
Diese europäische Ordnung war nach dem Ersten Weltkrieg zerstört. De facto war es der Eingriff einer außereuropäischen Macht, der USA, der den Krieg im Westen zu einem Ende brachte. 1918 brachte den Untergang der Reiche, die unmittelbar oder mittelbar mit Europa zu tun hatten. Vier dieser Reiche wurden unmittelbar als Ergebnis des Krieges zerstört, das britische Empire hat noch weiterexistiert, ist dann aber auch schon in Richtung seines Endes gegangen. Auf dem Boden dieser ehemaligen Reiche sind allerdings sehr viele Diktaturen und totalitäre Systeme entstanden.
In Mitteleuropa wurde ein über Jahrhunderte gewachsener Kulturraum zerstückelt. Der Nationalismus übernahm das Ruder. Es entstanden kleine Nationalstaaten. Aber keiner der neuen Nationalstaaten konnte den Anspruch, ein Nationalstaat – also ein Staat nur aus Angehörigen einer einzigen Nation – zu sein, erfüllen. Jeder der neuen Staaten hatte seine Volksgruppen, die einer anderen Sprachgemeinschaft als die Mehrheitsbevölkerung angehörten.
Es wurde aber nicht nur ein Kulturraum zerstückelt, sondern auch ein Wirtschaftsraum. Jeder einzelne Staat versuchte, seine Probleme durch Abschottungspolitik, durch Protektionismus und Nationalismus zu lösen. Man versuchte die Probleme so zu exportieren, machte sie aber in Wirklichkeit nur schlimmer.
Coudenhove-Kalergi versuchte die Lehren aus dieser Lage zu ziehen. Wobei mir 100 Jahre später oft Zweifel kommen, ob man heute noch bereit ist diese Lehren auch zu beherzigen. Die ersten Reaktionen auf die Covid-Krise, die ich eingangs beschrieben haben, sind jedenfalls eine gute Begründung für diese Zweifel.
Geopolitischer Ansatz in der Paneuropa-Idee
Das Paneuropa-Konzept folgt einem geopolitischen Ansatz. Ziel war damals nicht die Vereinheitlichung möglichst hoher Steuersätze oder ein europaweit umverteilender Wohlfahrtstaat, sondern die Neufassung einer europäischen Ordnung. Nicht im Sinne eines – wohl auch damals schon – unrealistischen Zurück zur alten Ordnung, sondern im Sinne einer Struktur, die Europa als weltpolitische Handlungseinheit wiederherstellen, und es nicht zu einem Spielball außereuropäischer Mächte machen würde.
Deshalb stand im Zentrum seiner Überlegungen erstens eine europäische Außenpolitik – um auf der Bühne der Weltpolitik nicht von anderen beherrscht zu werden –, zweitens eine europäische Sicherheitspolitik – um in dieser Frage nicht von anderen abhängig und damit dominiert zu werden, oder in einen neuerlichen innereuropäischen Krieg gezogen zu werden –, sowie drittens der Abbau sämtlicher innereuropäischer Zollschranken. Heute würde man das als freien Binnenmarkt bezeichnen, also Europa als eine Zone des Freihandels. Dazu kam damals schon die Überlegung einer gemeinsamen Währung, die in Coudenhoves-Konzept auf dem damals noch existierenden Goldstandard beruhte, und ein europäisches Bundesgericht, also das was wir heute als Europäischen Gerichtshof haben.
Die Freiheit der Bürger, Eigenverantwortung, und ein Staat, der sich auf das Setzen der Rahmenbedingungen im Sinne eines Rechtsstaates beschränkt, waren eine weitere Basis seiner damaligen Überlegungen für die europäische Einigung.
Meine Damen und Herren, liebe Freunde!
Betrachten wir heute, 100 Jahre später, die Lage in Europa – auch wenn es bereits 27 Staaten sind, die eine Europäische Union bilden – so werden wir feststellen, dass dieser Ansatz nach wie vor Gültigkeit besitzt und wir an der Verwirklichung dieser Idee arbeiten müssen. Wir haben zwar die vier Grundfreiheiten – Dienstleistungsverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit und Warenverkehrsfreiheit –, aber immer noch müssen wir gegen nationale Egoismen und protektionistische Maßnahmen innerhalb der EU ankämpfen. Und da beziehe ich mich jetzt gar nicht auf die Einschränkungen etwa durch die Grenzschließungen aufgrund der Pandemie.
Protektionismus schadet Europa
Verschiedene Mitgliedsstaaten waren extrem erfinderisch, um etwa die Dienstleistungsfreiheit einzuschränken. Letztlich hat man sogar eine Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet, um protektionistische Maßnahmen in verschiedenen Bereichen zu erlauben, entgegen der genaugenommen im Verfassungsrang stehenden Dienstleistungsfreiheit. Oder denken wir an die Entsenderichtlinie, die ebenfalls Protektionismus bringt. Hier ist also noch einiges zu tun, um einen echten freien Binnenmarkt zu ermöglichen.
Man muss kein ausgebildeter Ökonom sein, um eine Grundwahrheit der Wirtschaft formulieren zu können: freier Handel ist immer besser als Protektionismus, er sichert Wohlstand und liefert damit die Grundlage für alle anderen Annehmlichkeiten unseres Lebens.
Auch der geopolitische Ansatz ist nach wie vor gültig. Im Kalten Krieg hat Moskau totalitär die Außenpolitik der östlichen Hälfte des Kontinents bestimmt, für den freien westlichen Teil war der Partner USA die bestimmende Macht. Ohne jetzt in Paris, Berlin oder Madrid jemanden beleidigen zu wollen, aber auch heute ist es so, dass nicht in den Hauptstädten Europas über die großen weltpolitischen Herausforderungen entschieden wird, sondern nach wie vor in Washington und Moskau, sowie im totalitär regierten China. Europa liegt am Randgebiet verschiedener Konfliktherde. Denken wir an den Nahen Osten, denken wir aber auch an die Ostgrenze der EU, wo wir durch die hybriden Angriffe – und anders kann man die Instrumentalisierung von Flüchtlingen durch das totalitäre Regime Lukashenko nicht benennen – aus Minsk aber auch Moskau eine Zone der Instabilität haben, der nur eine geschlossen auftretende EU begegnen kann.
Es ist extrem kurzsichtig, wenn einzelne EU-Länder meinen, eine Sonderbeziehung zu Russland aufbauen zu können, die im Widerspruch zur europäischen Interessenslage ist. Selbst wenn eine solche Politik auf den ersten Blick einen kleinen Vorteil für ein solches Land bringen sollte, so wird dieses Land bereits mittelfristig von Moskau benutzt, um die EU zu spalten. Eine gespaltene EU aber kann weder der alten divide et impera Politik noch der neuen hybriden Politik Moskaus effizient entgegentreten. Und damit verliert auch jenes kleine Land, das meinte sich einen Vorteil herausholen zu können, seinen Schutz durch eine starke Politik der Europäischen Union, schadet sich also selbst.
China versucht Menschenrechte umzudefinieren
Es ist auch beschämend zu sehen, wie oft es China bereits gelungen ist, in Fragen der Menschenrechte die Europäische Union zu spalten. Dabei geht es nicht um das, was allgemein als Einmischung in innere Angelegenheiten definiert wird, also um eine direkte Kritik der chinesischen Menschenrechtspolitik beispielsweise den Uiguren gegenüber, sondern um die Tatsache, dass China versucht die Menschenrechte überhaupt neu und im Sinne der eigenen kommunistischen Ideologie und der Machtinteressen zu definieren.
Die Schlussfolgerung daraus – und ich weiß, Sie hören diese Forderung jetzt nicht das erste Mal von mir – kann also nur lauten: Europa, die Europäische Union braucht eine europäische Außenpolitik. Gerade in dieser Außen- und Sicherheitspolitischen Frage braucht es eine europäische Souveränität.
Souveränität, meine Damen und Herren, bedeutet im konkreten Fall die Fähigkeit zu handeln und zu gestalten. Europäische Politik würde hier vom Potenzial einen eindeutigen Mehrwert gegenüber einer reinen Nationalstaatspolitik bringen. Um es weiter zu präzisieren: Europäische Außenpolitik bedeutet nicht nur Koordinierung der Außenpolitik von 27 Mitgliedsländern durch den Hohen Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (der gleichzeitig auch einer der Vizepräsidenten der Europäischen Kommission ist), und wo einzelne Länder beispielsweise bei wichtigen Fragen wie der Menschenrechtspolitik in China, eine europäische Stellungnahme blockieren können, sondern ein EU-Außenministerium mit einem Außenminister (oder einer Außenministerin) an der Spitze.
Dazu brauchen wir einen Kern einer europäischen Verfassung, in der genau diese außenpolitische Kompetenz für die Europäische Union festgeschrieben wird. Ein Punkt übrigens, der auch allen Anforderungen der Subsidiarität entsprechen würde. So wie jetzt jeder Außenminister der parlamentarischen Kontrolle seines Landes unterliegt, würde ein EU-Außenminister der parlamentarischen Kontrolle des direkt von den Bürgern der EU gewählten Europäischen Parlamentes unterliegen.
Natürlich genügt es nicht einen Posten zu schaffen, um echte Außenpolitik zu machen. Dazu muss man auch die Bereitschaft zeigen, europäische Interessen zu definieren. In Teilbereichen gelingt das ja bereits aufgrund der aktuellen Herausforderungen. Ich denke da an den Schutz der Grenzen, an die Abwehr direkter oder hybrider Bedrohungen, an den Einsatz für Menschenrechte, oder auch die konkrete Erweiterungspolitik der Europäischen Union.
Notwendige Dekolonialisierung Russlands
Feminismus würde ich nicht als Ziel der Außenpolitik formulieren. Wir wollen ja nicht, dass sich Sergej Lawrow und Vladimir Putin totlachen, sondern unser Ziel muss es sein, Russland auf seinem Weg der Dekolonialisierung hin zu einem friedlichen, demokratischen Rechtsstaat, mit dem wir eine echte Partnerschaft leben können, zu unterstützen.
Dass dieser Schritt zu einer europäischen Außenpolitik nicht so einfach sein wird, muss uns allen klar sein. Es wird noch viel Überzeugungsarbeit brauchen, um Europa tatsächlich außenpolitisch aufstellen zu können. Ich komme zurück auf das Schuman-Zitat: es handelt sich hier um eine Zielvorstellung, um ein Ideal, das den politischen Willen braucht, um diesem Ideal zu dienen.
Dass so eine Zielvorstellung utopisch klingt, sollte uns nicht davon abhalten, dafür einzutreten. Denn nur wer politische Zielvorstellungen hat, wird auch Politik machen.
Die Paneuropa-Union habe ich schon erwähnt. Eines der Schlagworte für das diese Organisation bekannt geworden ist, lautet: „Paneuropa ist ganz Europa.“ Als mein Vater Otto von Habsburg 1957 Vizepräsident der Paneuropa-Union wurde, und begonnen hat, dieses Schlagwort in seinen Reden immer und immer wieder zu wiederholen, hatte Europa nicht einmal noch den ersten Höhepunkt des Kalten Krieges erlebt. Eine Überwindung des hochmilitarisierten Eisernen Vorhanges klang damals nicht nur utopisch, sondern hat auch manche zu der Ansicht gebracht, wer so etwas fordere, könne ja nicht ganz bei Sinnen sein.
Denken wir an einen Willy Brandt, der für seine Politik des Wandels durch Annäherung den Friedensnobelpreis bekommen hat, und der den Glauben an die deutsche Wiedervereinigung noch 1988 als eine der Lebenslügen der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet hat. Die Ewiggestrigen Paneuropäer, wie wir oft genannt wurden, haben nicht nur auf die Wiedervereinigung Deutschlands gesetzt, sondern sogar an eine Vereinigung Europas geglaubt.
Liebe Freunde – wir tun das auch heute noch. Wir nehmen den Slogan „Paneuropa ist ganz Europa“ nach wie vor sehr ernst, weil jedes europäische Land ein Recht hat dieser europäischen Einigung anzugehören. Ich denke da konkret an die Länder Südosteuropas, die wie eine Nicht-EU-Insel inmitten von EU-Ländern liegen, und Zielgebiet des Einflusses nichteuropäischer Mächte sind, die die Schwäche der EU ausnutzen. Ich denke aber genauso an Moldau oder Länder wie die Ukraine, Georgien, die alle drei in Teilen durch russische Soldaten und ihre Söldner besetzt sind. Ich denke an ein Land wie Belarus, in dem ein Langzeitherrscher nach einem offensichtlichen Wahlverlust ein totalitäres Regime errichtet hat, in dem willkürliche Verhaftungen, Folter und auch Mord leider Realität sind.
Eine europäische Außenpolitik kann da nicht wegschauen. Eine europäische Außenpolitik muss die Sanktionen so anziehen, dass Moskau und Peking zum Entschluss kommen, Lukashenko fallen zu lassen. Freiheit und Menschenwürde sind Bestandteil der europäischen Seele, der europäischen Identität. Sie aus welch fadenscheinigen Gründen auch immer im Falle Belarus fallen zu lassen, stünde im Widerspruch zum Europäertum. Ich plädiere auch dafür, das Regime von Lukashenko beim Internationalen Strafgerichtshof wegen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen.
Die gleiche Entschlossenheit gilt übrigens auch bei der Unterstützung der Ukraine als Leitlinie für eine europäische Außenpolitik.
EU-Erweiterung ist eine höchst politische Frage
Natürlich ist die Frage der EU-Erweiterung eine höchst politische Frage. Es ist ein Verrat an der Idee der europäischen Einigung, wenn einzelne Länder, die bereits der EU angehören, dann diese Mitgliedschaft für eine Blockade missbrauchen. Egal ob es um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen oder die Visafreiheit für die Bürger des Kosovo geht.
Denken wir zurück an die Aufnahme von Spanien, Portugal und Griechenland. In allen drei Ländern waren vor dem Integrationsprozess Militärregierungen an der Macht. Es waren damals die Regierungen der EG-Länder, die eine politische Entscheidung getroffen haben, den Beitrittsprozess mit diesen Staaten zu beginnen. Griechenland trat 1981 der Europäischen Gemeinschaft bei, Spanien und Portugal folgten 1986. Die Kommission, als Hüterin der Verträge, sprach sich damals gegen den Beginn der Beitrittsverhandlungen aus, weil die Länder ihrer Meinung nach nicht reif dafür waren. Die politische Entscheidung im Rat, also der Vertretung der Mitgliedsländer lautete: wir wollen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diese Länder bringen. Deshalb wollen wir sie integrieren. Diese Zielvorstellung, dieses politische Ideal galt übrigens auch nach 1989, nach dem Ende des Eisernen Vorhanges, für den dann beginnenden Beitrittsprozess für mehrere der ehemaligen Ostblockländer.
Wenn ich mir die heutigen Blockaden gegen die Erweiterung anschaue, dann muss ich hier einen Satz wiederholen, den ich bereits eingangs im Zusammenhang mit der Corona-Politik erwähnt habe: „Ich habe sehr stark den Eindruck, dass wir diese europäische Idee in den Staatskanzleien Europas verschüttet haben.“
Meine Damen und Herren: Wenn ich sage die europäische Idee ist verschüttet, dann bedeutet das, es gibt sie, die europäische Idee. Es gibt die europäische Identität, es gibt die europäische Seele. Wir müssen diese Idee nur wieder ausgraben, wieder sichtbar machen. Ein ganz zentrales Element dazu sind Freiheit und Eigenverantwortung der Bürger, sowie das Prinzip des Rechtsstaates.
Gerade dieses Prinzip des Rechtsstaates wird heute auf europäischer Ebene vielfach verzerrt. Ohne jetzt auf die Details der Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU oder zwischen Mitgliedsstaaten der EU auf der einen, und Kommission und Parlament auf der anderen Seite eingehen zu wollen: Im Hintergrund geht es hier um Machtfragen und ideologische Konzepte.
Rechtsstaat schützt Recht und Freiheit, nicht Ideologien
Der Konflikt ist auch keiner zwischen West- und Mitteleuropa, auch wenn er nun von manchen zur neuen Spaltung in Ost und West hochstilisiert wird. Betrieben wird dieses Narrativ von Ideologen, die sich damit als Opfer einer Unterdrückung Osteuropas durch Westeuropa darstellen, um darauf die Geschichte aufzubauen, dass sie die Einzigen (und auch Letzten) seien, die die wahren Werte Europas verteidigen. Tatsächlich ist es ein Konflikt zwischen zwei etatistischen, paternalistischen Ideologien, wo die einen den Etatismus auf Ebene des Nationalstaates ansetzen, die anderen auf der Ebene der supranationalen EU. Beide Ideologien sind geprägt von einem Primat der Politik, nicht durch einen Primat des Rechtes.
Es ist also ein Konflikt zwischen Ideologien, die letztlich den Rechtsstaat aushöhlen und ihm ihre ideologische Sicht aufzwingen wollen.
Das Wesen des liberalen Rechtsstaates ist eben nicht die staatliche Durchsetzung einer bestimmten Glücks- und Wohlfahrtsvorstellung. Aufgabe des liberalen Rechtsstaates ist es, Recht und Freiheit zu garantieren!
Eine Ideologie, die dem Primat der Politik folgt, nimmt für sich in Anspruch, alles regeln zu dürfen, ja alles regeln zu können. Je mehr die Politik das tut, umso tiefer aber wird der Konflikt mit dem Recht. Dieser Konflikt wird immer schärfer, weil immer seltener rechtsstaatliche Grundsätze regieren – also die Herrschaft des Rechts -, sondern Machtverhältnisse. Dieser Konflikt wirkt sich langfristig zum Schaden Europas aus.
Auswirkungen dieser falschen Politik, die meint alles regeln und kontrollieren zu können, merken wir übrigens jetzt auch in der Corona-Pandemie. Wir haben in den vergangenen 50 oder mehr Jahren einen Wohlfahrtsstaat entwickelt, der vorgegeben hat, den Menschen immer mehr Sorgen abnehmen zu können. Das war nicht nur eine Schuld der Politiker, die auf diese Weise Wählerstimmen sammeln konnten. Das war auch eine Folge der Bequemlichkeit der Bürger. Wer träumt nicht von einem sorgenfreien Leben, in dem der Staat einem alles abnimmt.
Im Endeffekt sind wir in einem Zustand angelangt, in dem jeder meint, der Staat müsse genau seine Freiheitsvorstellungen umsetzen. Es ist logisch, dass dies zu einem politischen Zielkonflikt führt, den keine Regierung (und auch keine Opposition) mehr lösen kann. Der leider fast in Vergessenheit geratene Ökonom Felix Somary hat dies bereits in seinen „20 Sozialgesetzen der verkehrten Proportionen“ beschrieben. Im Gesetz Nummer 4 sagt er: „Je mehr Funktionen ein Staat übernimmt, desto schwerer ist seine Verwaltung zu kontrollieren.“ Und er ergänzt im Gesetz Nummer 5: „Je größer und je vielseitiger der Staat, desto einflussloser das Volk.“
Vertrauensverlust in die Politik
Ein massiver Vertrauensverlust in die Politik ist die Folge. Das ist dann die Stunde der Populisten.
Meine Damen und Herren!
Es wird also notwendig sein, über eine Redimensionierung des Staates, über eine Deregulierung und einen Rückbau der Regulierungsdichte zu reden. Meine Damen und Herren: Auch dafür bietet uns die europäische Tradition ein sehr sinnvolles Instrument an, nämlich die Subsidiarität.
Seit dem Vertrag von Maastricht ist sie Bestandteil der europäischen Verträge, wo es in Artikel 5 des EG-Vertrages heißt: Ich zitiere: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“ Zitat Ende.
Allerdings bildet diese Definition die Subsidiarität nur mangelhaft ab. Erstens weil sie nur auf das Verhältnis zwischen EU und Mitgliedstaaten abzielt, zweitens weil sie Subsidiarität auf eine Art Kompetenzabgrenzung reduziert, nach der Mitgliedsländer Kompetenzen auf die europäische Ebene heben. Tatsächlich ist aber Subsidiarität deutlich mehr, nämlich ein natürliches Ordnungsprinzip, das den Grundsatz „in dubiis libertas“ miteinbezieht. Es muss ja nicht zu allem eine gesetzliche Regelung geben (egal auf welcher Ebene), weil es so etwas wie Freiheit, Eigeninitiative und Eigenverantwortung gibt.
Präziser in der Definition war hier Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Quadragesimo anno“, in der er den „sozialphilosophischen Grundsatz“ (Subsidiarität), an dem „nicht zu rütteln noch zu deuteln ist“ definiert: Ich zitiere wieder: „wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung.“ Zitat Ende.
Papst Pius XI. argumentiert, dass durch die Beachtung dieses Grundsatzes die jeweiligen Einheiten der Gesellschaft viel besser funktionieren, als wenn sich die Staatsgewalt in alle Bereiche einmischt: Er präzisiert: Zitat: „je besser durch strenge Beobachtung des Prinzips der Subsidiarität die Stufenordnung der verschiedenen Vergesellschaftungen innegehalten wird, um so stärker stehen gesellschaftliche Autorität und gesellschaftliche Wirkkraft da, um so besser und glücklicher ist es auch um den Staat bestellt.“ Zitat Ende.
Subsidiarität und der glückliche Staat
Mit anderen Worten: Die katholische Soziallehre gibt uns hier eine sehr klare Leitlinie zur Auflösung des oben beschriebenen politischen Zielkonfliktes, der im Wohlfahrtsstaat entsteht, weil sich der Staat in zu viele Bereiche des Lebens regulierend einmischt.
Meine Damen und Herren, liebe Freunde!
Wundern tut uns das nicht, dass dieser Lösungsansatz aus der christlichen Tradition kommt. Unweigerlich werden wir, sobald wir beginnen, den Schutt wegzuräumen, der die Seele Europas vergraben hat, auf die christlichen Wurzeln Europas, auf die christlich-jüdische Tradition stoßen.
Lassen Sie mich das mit Worten meines Vaters noch einmal zusammenfassen: „Der christliche Glaube hat das Großwerden und Erstarken Europas möglich gemacht. Der Begriff der Menschenwürde und die Entwicklung der Menschenrechte sind ohne das Christentum und dessen jüdische Wurzeln nicht denkbar. Wenn auch oft behauptet wird, die Menschenrechte seien erst durch die Aufklärung formuliert worden, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Aufklärer ihre philosophische Basis in der Nächstenliebe und der Scholastik der Mönche des Mittelalters fanden. Verschwindet der Glaube, so treten andere Götzen an den Platz des Allmächtigen. Der Mensch ist auf Transzendenz hin ausgerichtet. An die Stelle von Gott wird selten nichts treten, sondern Ersatzgötzen oder Ersatzideologien, die dem Menschen gefährlicherweise das Paradies auf Erden versprechen. Der Blick auf die Weltkarte zeigt: Ohne einen eigenen Geist ist dieses Europa zum Verschwinden verurteilt. Tragfähige politische Kräfte werden nur durch eine Idee geschaffen, denn diese ist die Seele – auch der Kontinente. Europa war, solange es christlich war.“
Christentum ist eine Grundlage Europas
In dem Text, den ich hier zusammengefasst habe, schreibt er dann weiter, dass der Abstieg mit dem Augenblick begann, als dieses Bewusstsein zu schwinden begann.
Wir sind aber hier nicht zusammengekommen – wenn auch nur virtuell – um den Abstieg Europas zu beweinen, sondern um seine Zukunft zu gestalten. Deshalb darf ich Sie bitten: helfen Sie mit, die Seele Europas wieder freizulegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde!
Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung zur dringend nötigen gesellschaftlichen Wiedervereinigung. Sie fragen sich nun bestimmt, was ich damit meine? Meines Erachtens nach ist dies eine absolut vorrangige Aufgabe der Politik. Denn ich bin zwar optimistisch, dass wir die Pandemie medizinisch zunehmend in den Griff bekommen und Schritt für Schritt zu einem normalen Leben zurückkehren werden. Aber der tiefe Riss, der aufgrund der extremen gesellschaftlichen Polarisierung in Sachen Corona durch Familien, Gemeinden, Staaten und auch durch die EU geht, wird so schnell nicht zu kitten sein.
Wut und Hass versperren den Blick auf Lösungen
Um das zu schaffen, ist eine Grundvoraussetzung, dass wir verbal und emotional abrüsten. Die Politik muss dabei mit gutem Beispiel vorangehen und die Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt über wahltaktische Überlegungen stellen. Aber auch in der Gesellschaft werden die einander so erbittert gegenüberstehenden Lager einen Schritt aufeinander zu machen müssen. Denn Wut und Hass versperren immer den Blick auf Lösungen – und auch auf die Wurzel Europas, unsere Werte.