Kommentar: Beim Essen hört der Spaß auf!

Europa soll für Sicherheit sorgen, effizienter werden, sich reformieren und uns vor den Gefahren der Welt schützen. Emotion entfachen aber dann doch nur die Pommes. Die Prioritäten der öffentlichen Debatten sind teils erstaunlich.Ein Kommentar von Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropa Bewegung Österreich.

Haben Sie schon von PESCO gehört? Oder JEFTA? CETA ist vielen mittlerweile ein Begriff. EDIDP und GAP wohl weniger. Was ja auch kein Problem ist, Abkürzungen im Dschungel der Politik sind oft nur für Eingeweihte verständlich. Entscheidend ist ja auch gar nicht der Name sondern was sich dahinter verbirgt.

Von Treimann aus der deutschsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3128216

Aufreger in Österreich und Deutschland: Pommes Frites. (Foto: Treimann aus der deutschsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://tinyurl.com/y9xys7k6 )

Hinter den genannten Kürzeln verbirgt sich einiges, was von großer Bedeutung ist. Wobei, verbergen der falsche Ausdruck ist. Zu jedem gibt es Informationen in allen Sprachen, regelmäßig Pressestatements, die zuständigen Minister informieren und online findet man so gut wie alles was man wissen muss. Falls nicht, kann man bei der EU in allen Sprachen nachfragen.

Gemacht wird es nur sehr selten. Erstaunlich, gilt doch der oft formulierte Wunsch der Bürger der Transparenz der EU. Dass das Europäische Parlament mit das transparenteste der Welt ist und im Gegensatz zum österreichischen Parlament oder jedem Gemeinderat die Ausschüsse öffentlich sind – geschenkt.

Zurück: Alle fünf Themen, für die diese Abkürzungen stehen, wurden aktuell auf europäischer Ebene beschlossen und haben Auswirkungen auf Österreich.

Abkürzungen, die etwas bedeuten

PESCO (Permanent Structured Cooperation) wurde von 25 EU-Mitgliedsstaaten beschlossen und ist nichts anderes als die neu geschaffene EU-Sicherheits – und Verteidigungsunion. Österreich ist mit vier Projekten daran beteiligt. Sicherheit? Das Topthema für die meisten Bürgerinnen Bürger. Öffentliche Debatte – keine.

JEFTA bezeichnet das Japan-European-Free-Trage-Agreement, also ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan. Verhandelt und einstimmig beschlossen. Wer sich wundert, wieso es einen Aufschrei bei Kanada und USA gab aber nicht bei Japan, dem könnte man „Anti-Amerikanismus“ als Argument liefern. Würden wir aber nie unterstellen.

CETA – das Freihandelsabkommen mit Kanada, gilt als modernstes Abkommen dieser Art der Welt und soll als Vorlage für alle zukünftigen globalen Handelsabkommen gelten. Die FPÖ hat (zum Glück) beschlossen, ein von allen Staaten gewolltes, fertig verhandeltes und zu einem Großteil schon in Kraft befindliches Handelsabkommen zwischen rund 600 Millionen Bürgern nicht mehr zu blockieren.

Und mit der Reform von GAP wurde einer der größten Aufgabenbereiche der EU am Dienstag 12.12. im Europäischen Parlament beschlossen -die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU.

Russisches Gas – war da was?

Nicht erwähnen muss man, dass die indirekte (aber doch eindeutige) Drohung Russlands gegenüber Europa – via Bericht auf RussiaToday mit dem Titel „How long could Europe survive without russian Gas?“ sowie die Milliardeninvestitionen Chinas in Europa via dem Projekt „Neue Seidenstraße“ ebenfalls doch eher wenig öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zogen. Strom kommt halt hauptsächlich aus der Steckdose.

Frederic MAIGROT/REA/laif , Quelle: bundesregierung.de

In ÖSterreich kaum debattiert: Die engere militärische Zusammenarbeit in Europa via PESCO (Foto: Frederic MAIGROT/REA/laif , Quelle: bundesregierung.de )

Man könnte sagen: Gut, dass dies alles so harmonisch über die Bühne geht. Europa funktioniert. Aber das stimmt nicht ganz, denn die Aufregung gibt es ja. Denn während die Sicherheitsunion kaum jemanden emotionalisiert, kochte die Volksseele über: als nämlich die nationalen Gesundheitsminister die Bräunung der Pommes regulieren wollten. Gut, das würden sie auch ohne EU machen, aber wer wäre dann schuld?

Auch im allgemeinen Zorn blieb unbeachtet, dass die EU-Kommission die Zulassung von Glyphosat nicht aus reinem Jux verlängerte, sondern auf Basis einer wissenschaftlichen Studie (die man natürlich kritisieren kann): die EU-Agentur (in Österreich ist man Fan von EU-Agenturen, aber nur, wenn man sie selber bekommt) eine krebserregende Wirkung nicht als erwiesen sah. Aber vor allem deshalb – und das ist ja das eigentlich entscheidende, weil 18 Mitgliedstaaten – also nationale Regierungen – dem zustimmten. Natürlich sitzt der Schuldige in Brüssel – aber niemals in Stockholm, Budapest oder Lissabon.

A propos Budapest und Warschau – dass Polen und Ungarn (für viele die „Retter des Abendlandes“) für einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union sind und dies Präsident Erdogan auch versicherten, geht auch immer unter in der Debatte. Denn schuld ist Brüssel.

Niemals die 27 nationalen Regierungen, die die Beitrittsverhandlungen nicht abbrechen wollen – was im Widerspruch zum Europäischen Parlament steht. Diese gewählte Bürgerkammer sprach sich schon vor über einem Jahr für das auf Eis legen der Verhandlungen aus.

Döner und Glyphosat

Aufmerksamkeit hat „Brüssel“ aber trotzdem auf sich gezogen, denn vergangene Woche wurde im Europäischen Parlament über Döner abgestimmt. Vertikale Fleischspieße, wie es im Jargon der EU-Kommission heißt. Diese sollen zu viel Phosphat enthalten – aus Gründen der Haltbarmachung. Die Schlagzeilen waren riesig, denn wenn die EU nun uns den Döner verbietet, ist das skandalös.

Auch hier könnte man natürlich fragen, wieso Glyphosat böse, Acrylamid und Phosphat im Essen aber okay sind (darauf kann ich als Nicht-Chemiker keine Antwort geben), aber seis drum. Denn das eigentlich Spannende ist ja, dass „die EU“ den Döner gar nicht verbieten will. Die EU-Kommission will nämlich die Verordnung klarstellen, dass Döner eben nicht mehr gefährdet wäre. Verbieten wollen es einige Abgeordnete.

Wenn man bei Google übrigens „Sicherheitsunion EU“ und „PESCO“ eingibt, kommt man auf rund 4,5 Millionen Treffer. Bei „Döner EU“ jedoch 15,1 Mio. und bei „Pommes EU“ 15,2 Millionen.

Die Prioritäten sind also richtig gesetzt. Mahlzeit.

Stefan Haböck ist Referent für europäische und internationale Angelegenheiten im Präsidium der Paneuropa Bewegung Österreich.

 

Stefan Haböck ist Referent für europäische und internationale Angelegenheiten im Präsidium der Paneuropa Bewegung Österreich.