Leserbrief zu „Präsident Trump, die US-Hardliner und die Krim“, Gastkommentar von Rolf Hochhuth, „Die Presse“ 24.2.2017, Seite 27
1783 als Maßstab für Europas Ordnung?
Zu Recht verweist Rolf Hochhuth auf das Jahr 1783, als Rußland dem Osmanischen Reich die Krim „abfetzte“. Warum die Eingliederung der Krim ins russische Reich von damals legitimer sein soll als der Übergang der Krim an die Ukraine unter Chrustschow, erläutert er nicht. Er wird ja nicht das Jahr 1783 als Maßstab für die europäische Ordnung nehmen wollen. Auch wenn die Ukraine damals als Staat nicht existiert hat, gibt es ganz unbestritten eine ukrainische Kultur und Sprache. Will er damit die Existenzberechtigung Polens (das damals geteilt wurde) oder Sloweniens (das überhaupt erst 1991 erstmals ein selbständiger Staat wurde) oder des Kosovo (der immer noch nicht von allen europäischen Ländern – auch nicht von der Ukraine – anerkannt ist) bezweifeln? Warum sollte der Vertrag von 1783 zur Übernahme der Krim durch Rußland gültiger sein als das Budapester Memorandum von 1994, in dem Rußland die Grenzen Ukraine (inklusive Krim) garantiert hat. Zum Fürchten ist allerdings, wenn ein deutscher Dichter ein Anschluss-Referendum nach der militärischen Besatzung eines Landes oder einer Region als legitim anerkennen will.
Mit der Bitte um Abdruck als Leserbrief.
Herzliche Grüße, Rainhard Kloucek