Mitte Mai reiste eine paneuropäische Gruppe nach Mazedonien. Fazit: Das Land ist nicht eine „Former Yugoslavia Republic of Macedonia“ – wie der demütigende international gebrauchte Name vermuten lässt – sondern ein Land mit europäischen Wurzeln bis zurück in die Antike und dem Willen, Partner in der Europäischen Union zu sein.
Ein Lokalaugenschein von Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropabewegung Österreich.
Ilinden-Republik Mazedonien. So lautet der Namensvorschlag der mazedonischen Regierung gegenüber dem griechischen Nachbarn. Optimismus strahlten die beiden Regierungschefs, Zaev und Tsipras, beim Westbalkangipfel in Sofia aus. Optimismus, der von den Bewohnern Griechenlands und Mazedoniens weniger geteilt wird. Die unsägliche Blockade Mazedoniens wegen des Namens ist nur eine Episode im langen Spiel mit Mazedonien. Während in Griechenland der kommunistische Regierungschef versucht, einen Kompromiss zu finden (und dafür gleich Widerstand durch die Opposition erfährt), stellte sich für uns die Frage: Wie sieht die Situation eigentlich in Mazedonien dar?
Landung am Alexander-der-Große-Airport? Das war einmal
In Skopje landete unsere Gruppe – unter anderem mit dem Landesvorsitzenden der Paneuropa Sachsen Stefan Richter und dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der Paneuropa Jugend Deutschland Clemens Raab – am International Airport Skopje. Seit Februar 2018 heißt der Flughafen anders – ein Zugeständnis der mazedonischen Regierung an den Nachbarn.
Auch die Autobahn nach Skopje, der Geburtsstadt der Heiligen Mutter Teresa – die auch in Albanien und Kosovo verehrt wird – wurde umbenannt.
Ein Land auf der Suche nach Stabilität
Mazedonien – das ist eine seit 1991 unabhängige Republik mit knapp zwei Millionen Einwohnern im Südosten Europas. Das Land, das politisch und wirtschaftlich als klassisches Transformationsland bezeichnet werden kann, ist ethnisch und religiös gemischt – Mazedonier, Albaner aber auch Minderheiten wie Bosniaken und Türken bilden die Bevölkerung. Kyrillisch und Lateinisch ist die Schrift. Zwei Drittel der Menschen sind orthodox, rund 1/3 muslimisch.
2001 wurde das Land von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gebeutelt, als die albanisch-paramilitärische UCK mazedonische Behörden angriffen. Beendet wurde der Konflikt mit dem Rahmenabkommen von Ohrid, das der albanischen Bevölkerung mehr Rechte einräumt. Maßgeblich verantwortlich für die friedliche Lösung war der damalige mazedonische Staatspräsident Boris Trajkovski, unterstützt von EU und den USA.
Politisch dominiert wird das Land von der konservativen VMRO-DPMNE und der sozialdemokratischen SDMS. Dazu gibt es einige albanische Parteien. Eine scharfe politische Auseinandersetzung zwischen VMRO und SDMS gipfelte 2016 in Neuwahlen. Obwohl die VMRO knapp gewann, einigten sich SDMS und die albanische BDI auf eine Regierung. VMRO war nach elf Jahren wieder in Opposition.
Von der europäischen Antike über das Christentum bis zur EU – das Land ist europäisch
Bei einer Reise nach Mazedonien muss es natürlich an den Ohrid-See gehen. Der zweitgrößte See am Balkan ist zugleich einer der ältesten der Erde. An der Grenze zu Albanien gelegen, verdeutlicht diese Region das kulturelle Erbe Europas. Ohrid, das mit einer über 5000-jährigen Besiedlungsgeschichte als eine der ältesten Städte der Welt gilt, heißt nicht umsonst „Jerusalem des Balkans“. Nicht weniger als 365 Kirchen zählt diese kleine Stadt am See. Eine Handelsroute durch Ohrid verband Rom mit Konstantinopel.
Mit Philipp II. von Makedonien und Alexander dem Großen zählen zwei berühmte Herrscher zu den Helden Mazedoniens. Leider entfacht sich daran auch der Streit mit Griechenland. Die Fahrt dauert länger als die Entfernung es vermuten lässt. Nur 70 Kilometer sind Autobahn. Der Rest geht durch die Berge. Die Straßenbaustelle dort? Verwaist. Angeblich ein Streit mit chinesischen Investoren? Die Regierung hat jedenfalls die meisten Infrastrukturprojekte der Vorgängerregierung gestoppt.
Politische Ausrichtung des Landes ist europäisch – das Land sucht die Mitgliedschaft in der EU
Ungeachtet der innerstaatlichen politischen Konflikte gibt es jedoch eine Klammer, die die Politik zusammenhält: der Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO. Um hierzu Informationen aus erster Hand zu bekommen, standen politische Treffen mit dem stellvertretenden Premierminister Bujar Osmani und dem Vizepräsidenten der VMRO-DPMNE, Aleksandar Nikoloski, auf dem Programm.
Vizepremierminister Osmani, von der größten albanischen Partei BDI und zuständig für alle Fragen rund um die Europäische Union, betonte, dass der Beitritt zur EU der wichtigste Punkt für das Land sei. Erleichtert zeigt er sich, dass man hier auf einer Linie mit der Opposition sei. Die Regierung, laut Osmani, werde einen annehmbaren Kompromiss im Namensstreit anbieten. Als Knackpunkt sieht er jedoch noch, dass ein Referendum in Mazedonien über den neuen Namen versprochen wurde. Befürchtet wird ein massiver Einfluss außereuropäischer Kräfte auf die Abstimmung.
Die Visaliberalisierung seitens der EU war ein wichtiger Anschub für das Land. Aktuell verhandelt man auch ein Roaming-Abkommen mit dem Nachbarland Bulgarien. Der Ausbau der Infrastruktur – digital wie auch im Bereich Verkehr – steht ganz oben auf der Liste. Beim Treffen mit dem neugewählten Vizepräsidenten der größten Partei VMRO-DPMNE ging es vor allem um parteipolitische Fragen. Wie liefen die Konflikte zwischen 2015 und 2017 aus Sicht der konservativen Partei ab und welche Schlüsse hat man draus gezogen.
Abgerundet wurde die Reise mit einem Treffen von Vertreterinnen und Vertretern der größten politischen Jugendorganisation, der Youth Union Forces. Dabei betonte man die neue Ausrichtung der Parteijugend mit einem klar pro-europäischen Kurs. Debattiert wurde auch, welche Herausforderungen sich für junge Menschen im wirtschaftlich schwachen Land stellen.
Jede Verzögerung bei der EU-Perspektive spielt anti-europäischen Kräften in die Hände
Einig war man sich: das Land, und da vor allem die jungen Menschen, brauchen eine klare europäische Perspektive. Ein weiteres Hinhalten seitens der Europäischen Union und eine Blockade durch Griechenland sei nicht akzeptabel und würde nur die Verdrossenheit im Lande fördern und außereuropäischen Mächten den Griff auf das Land erleichtern. Mazedonien, das auch eine starke osmanische Vergangenheit hat, steht auch im Fokus von Erdogans Türkei.
Man mag über die neuerrichtetet, kontrovers diskutierten Kolossalstatuen in Skopje lächeln. Den Triumphbogen, vor wenigen Jahren zwischen zwei baufälligen Gebäuden errichtet, kritisch beäugen oder auch skeptisch auf das Verhalten der politischen Vertreter des Landes blicken. Wir, als Paneuropa, sehen die dahinterliegende Suche nach Identität. Unsere neugewonnen Freunde aus den verschiedenen politischen Lagern bestätigen dies.
Die Menschen in Mazedonien haben lange genug Konflikte durchgestanden. Sie haben es sich verdient, so bald als möglich vollwertiger Teil der Europäischen Union zu sein. Daher muss auch hier das Motto gelten: Druck auf die politischen Vertreter, das Wohl des Landes voranzustellen und den Bürgern alle Chancen im vereinten Europa zu ermöglichen.
Здраво Македонија.
PS: Großer Dank gilt unseren paneuropäischen Freunden Trajce Rusev und Andrej Lepavcov, die das politische Programm für uns organisiert haben!