Der Namenskompromiss zwischen Mazedonien und Griechenland erreichte 91 Prozent Ja-Stimmen. Aber nur 37 Prozent gingen hin. Das Referendum ist also ungültig. Damit muss das Parlament entscheiden. Mazedonien steht vor Neuwahlen. Ein Kommentar von Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropabewegung Österreich.
Premierminister Zaev ist nicht zu beneiden um die aktuelle Situation. So gut wie alle EU-Staaten, die USA und die Nato unterstützen den mit Griechenland ausgehandelten Vertrag. Spitzenpolitiker gingen in Skopje ein und aus. Pro-Namensdeal-Demonstrationen mit (angeblich) bis zu 150.000 Menschen fanden statt. Schließlich sagten sogar 91 Prozent Ja. Das Problem? Es gingen nur knapp 37 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung. Was das Referendum ungültig macht.
Ja oder Boykott – das war die Alternative
Während die Regierung massiv für ein Ja warb, war die oppositionelle VMRO dagegen. Nämlich gegen den zwischen den Regierungen ausgehandelten Kompromiss per se. Staatspräsident Ivanov rief zum Boykott des Referendums auf. „Nationale Identität sei nicht verhandelbar“. Es gab in vielen Städten und Dörfern Proteste. Wohl mehrheitlich für die Namensänderung war die albanische Bevölkerung im Land. Für sie bedeutet der Name des Landes aber weniger, als dies vor allem für die VMRO der Fall ist. Diese Partei ging aus der Befreiungsorganisation IMRO hervor, die gegen die osmanische Herrschaft kämpfte.
Der ausgehandelte Vertrag besagt, dass der offizielle Name des Landes in „Republik Nord-Mazedonien“ geändert werden soll, im Gegenzug unterstützt Griechenland den Beitritt Mazedoniens zu allen internationalen Organisationen, in denen auch Griechenland Mitglied ist. Ein Punkt in dem Agreement ist die Festlegung, dass die Sprache Mazedoniens dem „südslawischen Raum“ zugeordnet wird und nicht dem „hellenistischen Kulturkreis“ Griechenlands (Artikel 7).
Ein Knackpunkt ist sicherlich der Passus mit der Verwendung von Symbolen auf offiziellen Gebäuden und Stätten, die eine Referenz an die hellenistische Tradition sein könnten. (Artikel 8).
EU bedeutet Grenzen überwinden
Die Paneuropa Bewegung, die Griechenlands Blockade kritisiert und Mazedonien in dieser Angelegenheit unterstützt hat, hat den Namenskompromiss eher begrüßt. Aus pragmatischen Gründen wäre es notwendig, dass die beiden Staaten diesen leidigen Konflikt endlich begraben. Politik muss auch oft pragmatisch sein, wenn das Ergebnis daraus Frieden bringt.
Es gibt nämlich, obwohl fälschlicherweise oft behauptet, keinerlei Gebietsansprüche Mazedoniens auf die griechische Region gleichen Namens. Dieses Argument wurde von den Griechen oft vorgebracht. Mazedonien ging es einzig und allein darum, dass ihr aktuelles Staatsgebiet Mazedonien, ihre Bevölkerung Mazedonier und ihre Sprache Mazedonisch heißen darf.
Pragmatismus kann Emotion nicht ersetzen
Wir haben die Bemühungen von Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras um friedliche Beilegung des Konfliktes gewürdigt. Vor allem nationalistische und radikale Parteien haben massiven Druck auf ihn ausgeübt. Aber Paneuropa Österreich hat großes Verständnis für den tiefsitzenden Frust bei vielen Mazedoniern.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens erlangte Mazedonien seine Freiheit. Natürlich begleiteten viele Schwierigkeiten die kleine und junge Republik. Das ist typisch für die vielen Staaten, die jahrzehntelang dem real existierenden Sozialismus ausgesetzt waren.
Von Anfang an blockierte Griechenland – selber seit 1952 in der NATO und seit 1981 in der EU – den kleinen Nachbarn in seinen Ambitionen der EU und der NATO beizutreten. 2003 – beim berühmten Gipfel von Thessaloniki – versprachen die EU-Staaten dem Land folgendes: „Die EU bekräftigt, dass sie die europäische Ausrichtung der westlichen Balkanstaaten vorbehaltlos unterstützt.“
15 Jahre später, beim Gipfel 2018, blockierten der französische Präsident Macron und der niederländische Premier Rutte eine Terminisierung für den Verhandlungsstart. Wieder wurde um ein Jahr verschoben. 2019 wird nun geprüft, ob es einen Termin für Start der Verhandlungen geben kann. Noch ein Jahr warten auf Aufnahme von Verhandlungen, die ihrerseits sowieso mindestens 10 – 15 Jahre dauern werden.
Der Frust der mazedonischen Bevölkerung ist verständlich. 27 Jahre Blockade durch den Nachbarn. 15 Jahre immer wieder aufgeschobene Versprechen der EU-Staaten. Dann im Sommer wieder eine Verschiebung. Da hilft es nichts, wenn diejenigen Politiker nach Skopje reisen, die vor fünf Jahren noch einen Aufschub der Beitrittsverhandlungen in den Raum stellten.
Wie geht es nun weiter?
Das Referendum war nicht bindend, sondern hatte beratenden Charakter. Es muss nun im mazedonischen Parlament mit einer 2/3 Mehrheit die Verfassung geändert werden. Wie ein solche Abstimmung ausgeht ist noch ungewiss. Es fehlen noch 11 Stimmen auf eine Mehrheit (80 von 120 Stimmen, die Regierung hat aktuell 69). Nato-Generalsekretär Stoltenberg hat vor dem Referendum betont, dass Mazedonien nur dann aufgenommen wird, wenn der Kompromiss durchgeht. Hier ist also wohl auf die Abstimmung im Parlament zu warten. Auch die EU-Staaten und die EU-Kommission, die das klare Votum von 91 Prozent Ja hervorstreichen, werden diese Abstimmung abwarten (müssen).
Im Raum stand kurzfristig eine geheime Abstimmung, die es Abgeordneten der Opposition ermöglichen soll, für die Namensänderung zu stimmen. Diese Vereinbarung scheint wohl hinfällig – in Mazedonien soll es nun Neuwahlen am 25. November geben.
Interessantes Detail: Der Staatspräsident wird im Frühjahr 2019 neu gewählt. Dann endet die zweite Amtszeit von Präsident Ivanov. Es wird also hier auch eine Weichenstellung geben, welche Partei – die Sozialdemokraten oder VMRO – den nächsten Präsidenten stellt. Ob das Auswirkungen hat ist aber fraglich, denn die Namensänderung soll schon vorher abgeschlossen werden.
Faktum ist: Mazedonien ist ein pro-europäisches Land. Die Zustimmungsraten für die EU sind hoch, wenn auch durch die oben erwähnten Vorfälle getrübt. Fast uneingeschränkt steht die Bevölkerung hinter einem Nato-Beitritt. Interventionsversuche durch Staaten, die dieses Ansinnen abblocken wollten, blieben erfolglos. Mazedonien, mit seiner reichen Geschichte, wird wohl Mitglied der EU werden. Die Frage ist wann und wieviel Frust über die schleppenden Fortschritte sich bis dahin bei der Bevölkerung aufgestaut hat. Die EU-Staaten sind gut beraten, zukünftigen Blockadeversuchen durch einzelne Mitgliedsstaaten nicht leichtfertig nachzugeben. Es führt – wie man sieht – zu nichts als Verbitterung bei denen, denen etwas versprochen wurde.
Die Mazedonier brauchen eine verbindliche Zusage, dass die Verhandlungen rasch beginnen und dass das europäische Land, sobald alle Vereinbarungen für Reformen umgesetzt wurden, Mitglied der Europäischen Union wird. Dies sollte noch vor den Neuwahlen geschehen. Die Parteien und die Wähler müssen sich auf den Pro-EU-Kurs verlassen können.
Dann sollten sich auch nationalistische Kleinkriege, die aktuell noch verbaler Natur sind, in dieser Region hoffentlich erledigen. Als Paneuropa appellieren wir hier an die Vernunft aller handelnden Personen.