Michaela Jana Löff beantwortet Fragen zur Nationalratswahl

Am 29. September haben die Österreicher und Österreicherinnen die Möglichkeit, den Nationalrat, also das Parlament, neu zu wählen. Die Paneuropabewegung Österreich wird als parteiunabhängige europäische Organisation keine Wahlempfehlung abgeben und auch keine spezifische Werbung für eine Partei machen. Das Angebot, über Inserate eine Botschaft an die Paneuropäer zu richten, wurde verschiedenen Parteien gemacht. Eine Partei hat dieses Angebot angenommen.

Wie aber schon bei früheren Wahlen stellen wir auch diesmal Kandidaten vor, die Mitglieder der Paneuropabewegung Österreich sind und für den Nationalrat kandidieren. Im konkreten Fall sind das Michaela Jana Löff, die auf der Liste der ÖVP kandidiert, sowie Dominik Oberhofer, der sich auf der Liste der NEOS dem Votum der Wähler stellt.

Wir haben beiden Fragen gestellt, die Politikbereiche aus dem Paneuropaprogramm betreffen. Aufgrund der gegebenen Lage spielen Außen- und Sicherheitspolitik eine wichtige Rolle bei diesen Fragen, aber auch die generelle Weiterentwicklung der Europäischen Union und die Positionierung Österreichs in dieser Weiterentwicklung werden behandelt. Hier die Antworten von Michaela Jana Löff.

Frage 1: Im Osten Europas tobt ein Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die Ukraine kämpft dabei um Ihr Überleben, verteidigt aber damit gleichzeitig Europa gegen die imperialistischen Ambitionen des russischen Despoten Vladimir Putin. Österreich ist ein Land, das den Ruf hat, sehr russlandfreundlich zu sein. Das zeigt sich in den wirtschaftlichen Aktivitäten österreichischer Firmen, die nach wie vor in Russland tätig sind aber beispielsweise auch in der Abhängigkeit von russischem Gas, wo es bisher keine Anzeichen gibt, durch einen Stopp der Gaslieferungen (wir bezahlen mehr für Gas an Russland als wir die Ukraine unterstützen) die Unterstützung des Krieges zu beenden. In der geltenden Sicherheitsstrategie Österreichs wird Russland (kurz vor Redaktionsschluss wurde eine neue Sicherheitsstrategie beschlossen, Anmerkung) immer noch als Partner bezeichnet. Wie bewerten Sie diese bisherige Haltung Österreichs und wie müsste sich ein neu gewähltes Parlament und eine neu bestellte Regierung in Zukunft gegenüber Russland positionieren?

Michaela Jana Löff:  Die Sicherheitslage in Europa hat sich seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine grundlegend verändert. Vor diesem Hintergrund war eine Neubewertung und Weiterentwicklung der Sicherheitsstrategie notwendig. Alle relevanten Akteure aus dem Sicherheitsbereich waren in den Prozess eingebunden, einschließlich der im Nationalrat vertretenen Parteien. Nach intensiven Verhandlungen wurde die neue Österreichische Sicherheitsstrategie 2024 am 28. August 2024 im Ministerrat beschlossen. Die Strategie findet deutliche Worte zur Bedrohung durch Russland, auch indem Energieexporte, insbesondere Gaslieferungen, gezielt als Waffe eingesetzt wurden und werden.

Österreich beteiligt sich vorbehaltlos an allen EU-Sanktionen gegen Russland. Zur bundesweiten Koordinierung wurde ein eigener Mechanismus etabliert. Jeder, der wie ich, in der Verwaltung tätig ist, kennt die zahlreichen Rechtsvorschriften und internen Erlässe zur Umsetzung der Sanktionen.

Ich habe keine Zweifel daran, dass auch jede künftige Bundesregierung mit Beteiligung der ÖVP die neue Sicherheitsstrategie verfolgen und umsetzen wird.

Frage 2: Österreich leistet humanitäre Hilfe für die Ukraine, sieht sich aber aufgrund der Neutralität nicht in der Lage auch mit militärischem Gerät zu helfen. Die Neutralität gebietet Österreich, keinem Militärbündnis beizutreten und keine Truppen eines anderen Landes in Österreich zu stationieren. Experten interpretieren das als Möglichkeit, zumindest in Teilbereichen auch militärisch verwendbare Produkte als Unterstützung an die Ukraine zu liefern. Ein Beispiel dafür sind etwa Minenräumgeräte, die für die Entminung in den von der Ukraine befreiten Gebieten eingesetzt werden könnten. Wie bewerten Sie diese Möglichkeit?

Michaela Jana Löff: Es gibt zahlreiche Hilfspakete der Republik Österreich für die Ukraine. Mehr als 200 Millionen Euro wurden bisher aufgewendet, um notleidenden Ukrainerinnen und Ukrainern humanitäre Hilfe zu leisten. Der österreichische Auslandkatastrophenfonds für die Ukraine ist ebenfalls aufgestockt worden.

Weil Sie die Entminung ansprechen, in Abstimmung mit der ukrainischen Zivilschutzbehörde, dem State Emergency Service of Ukraine soll der ITF Enhancing Human Security (früher: Internationaler Treuhandfonds zur Minenräumung und Unterstützung von Minenopfern) Minensuchgeräte für humanitäre Minenräumung in der Ukraine zur Verfügung stellen. Als Juristin, ist mir die Komplexität des rechtlichen Rahmens beginnend mit dem Neutralitätsgesetz bis zum Kriegsmaterialrecht sehr bewusst.

Frage 3: Würden Sie sich dafür einsetzen, die Unterstützung für die Ukraine zu verstärken, und auch in der politischen Kommunikation klarer herauszuarbeiten, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine auch eine direkte Bedrohung für Europa und damit für Österreich darstellt? (Hier sei sowohl auf die Desinformationskampagnen als auch auf Cyberangriffe durch Russland und echte Attentate und Anschläge in EU-Ländern hingewiesen.)

Michaela Jana Löff: Ich denke, dass es eine klare Kommunikation seitens der Regierungsmitglieder gibt. Selbstverständlich bedroht der russische Angriffskrieg auch Europa, in vielfältigster Weise. Die neue Sicherheitsstrategie 2024 analysiert die Bedrohung für Europa und Österreich eingehend und findet ganz deutliche Worte für die Bedrohungen, die von Russland ausgehen. Als Beispiele seien die hybride Kriegsführung genannt, mit der eine Destabilisierung der EU versucht wird oder implizite nukleare Drohungen. Die Absichtserklärung Österreichs zur Teilnahme an „Sky Shield“, dem Raketenschutzschirm, ist für mich ein weiteres Beispiel, dass die Bedrohung nicht nur klar kommuniziert wird, sondern auch darauf innerhalb unseres rechtlichen Rahmens reagiert wird. Auch im Bereich der digitalen Welt ist Cybersicherheit das Um und Auf – auch auf europäischer Ebene. Netzinformationssicherheit und Schutz kritischer Infrastruktur ist zu einer zentralen europäischen und nationalen Aufgabe geworden.

Die Gefahr des „Cyber-Krieges“ und hybrider Kriegsführung ist keine Utopie, sowohl das Innenministerium als auch die Landesverteidigung haben mit entsprechenden Strukturen als auch Personal Vorsorge getroffen. Im „Inneren Kreis der Operativen Koordinierungsstruktur“ (IKDOK) sind die Cyberspezialisten aus allen sicherheitsrelevanten Ministerien vertreten, um sich über aktuelle Bedrohungen auszutauschen. Auch hier sehe ich kein Ende der Entwicklung. Die Politik wird in Zukunft durch die rasante technische Entwicklung gefordert sein, rasch und mutig zu handeln, wenn es um die Sicherheit Österreichs geht. Ich denke da auch an die aktuelle politische Debatte um die Überwachung von Messenger-Diensten. Die ÖVP setzt sich klar für eine Befugniserweiterung der In- und Auslandsnachrichtendienste ein.

Frage 4: Österreich feiert im nächsten Jahr 30 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Im Artikel 42 des EU-Vertrages ist die sogenannte Beistandspflicht im Falle eines bewaffneten Angriffes auf ein Mitgliedsland geregelt. Die sogenannte irische Klausel würde es Österreich in einem solchen Fall ermöglichen, von einem militärischen Beistand abzusehen. Dazu zwei Fragen:

Erstens: Können Sie sich vorstellen im Parlament für eine Erklärung zu stimmen, wonach Österreich diese irische Klausel nicht in Anspruch nehmen würde, und würden Sie eine solche Erklärung aktiv unterstützen?

Zweitens: Können Sie sich vorstellen, dass aus dieser Beistandspflicht eine echte europäische Verteidigungspolitik entwickelt wird, in der Österreich eine aktive Rolle spielt?

Michaela Jana Löff: Österreich hat sich durch den Beitritt zur EU zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bekannt. Um mögliche Unvereinbarkeiten der Neutralität mit der GASP (Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik) bzw. der GSVP (Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik) zu vermeiden, wurde mit Art 23j B-VG eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen.

Frage 5: Die Paneuropabewegung setzt sich für eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein. Europäische Außenpolitik bedeutet nicht nur die Koordinierung der Außenpolitik von 27 Mitgliedstaaten durch den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, sondern ein EU-Außenministerium mit einem europäischen Außenminister an der Spitze. Der würde dann vom direkt gewählten Europäischen Parlament kontrolliert. Das wäre eine Abgabe von Kompetenzen an die Europäische Union, wo diese Souveränität auch Wirkung entfalten könnte. Eine Forderung, die auch dem Subsidiaritätsprinzip entspricht. Würden Sie eine solche EU-Souveränität in der Außenpolitik unterstützen und welche Schritte könnten auf dem Weg dorthin gesetzt werden?

Michaela Jana Löff: Ich kann mir – schon aus rechtlichen Gründen – derzeit keine Abgabe von Kompetenzen vorstellen, die die militärische Neutralität Österreichs in Frage stellen könnten. Was mich sehr beschäftigt, ist die Frage, wie in den nächsten fünf Jahren das derzeitig immer offenkundigere Auseinanderdriften von europäischen und nationalstaatlichen Interessen einiger Mitgliedstaaten in den Griff bekommen werden kann. Das sehe ich derzeit als größte Herausforderung für jeden Politikbereich der EU.

Frage 6: Österreich ist ein Land, das von der EU-Erweiterung stark profitiert hat. Die Erweiterungspolitik ist eines der stärksten außenpolitischen Instrumente der EU. Trotzdem stockt es in der Erweiterungspolitik. Wo müssten hier in Zukunft aus österreichischer Sicht starke Initiativen gesetzt werden?

Michaela Jana Löff: Ich denke, dass Europaministerin Edtstadler sehr treffend formuliert hat, dass „wir die Erweiterung der Europäischen Union vorantreiben wollen.“ Der derzeitige Fokus liegt auf dem Westbalkan, und die Herausforderungen in diesen Ländern sind bekannt. Für mich ist ganz klar, dass die feste Verankerung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, unabdingbare Elemente für einen Beitritt weiterer Länder sind. Da ich selbst Anfang der 2000er Jahre im Rahmen des  INTERREG IIIA-Programms (Grenzübergreifende Zusammenarbeit) ein Projekt zur Vorbereitung des Beitritts der Tschechischen Republik geleitet habe, bin ich mir der Komplexität der Anforderungen für einen EU-Beitritt mehr als bewusst.

Frage 7: Österreich ist ein Exportland. Mehr als 1,2 Millionen Arbeitsplätze sind mit dem Export verbunden, nach Angaben der Wirtschaftskammer entsprechen die Exporte mehr als 50 Prozent der Wirtschaftsleistung. Handels-
abkommen wirken nachweislich positiv auf den Export und die Handelsbeziehungen. Trotzdem schafft es Österreich aufgrund egoistischer Interessengruppen nicht, dem ausgehandelten Vertrag mit den Mercosur-Staaten zuzustimmen. Sehen Sie eine Chance, dass es hier in einem neu gewählten Parlament zu einer positiven Haltung zu solchen Handelsvereinbarungen kommt?

Michaela Jana Löff: Ich denke, dass in Österreich eine grundsätzlich positive Haltung zu der Möglichkeit Handelsabkommen mit Drittstaaten zu schließen, vorherrscht. Allerdings müssen Handelsabkommen auf gewisse Sensibilitäten besondere Rücksicht nehmen, damit sie auch in der Bevölkerung akzeptiert werden.

Frage 8: In welchen Bereichen möchten Sie Ihre Schwerpunkte in der nächsten Legislaturperiode setzen?

Michaela Jana Löff: Bundeskanzler Karl Nehammer hat in seinem Österreichplan skizziert, wie ein starkes und sicheres Österreich im Jahr 2030 aussehen soll – mit besonderem Fokus auf Leistung, Familie und Sicherheit. Darüber hinaus ist es mir persönliches Anliegen, in den kommenden Jahren so viele Menschen wie möglich wieder für die grundlegenden Ideen und Werte Europas zu begeistern – unabhängig davon, ob ich ein Mandat erreiche.

In meinem ehrenamtlichen Engagement bei der Europäischen Akademie Wien arbeite ich intensiv daran, Menschen jeden Alters und aller Bildungsschichten die europäische Idee näherzubringen. Dabei geht es mir darum zu zeigen, dass Europa nicht nur in Brüssel oder Straßburg stattfindet, sondern direkt vor unserer Haustür und in unserem alltäglichen Leben präsent ist. Besonders wichtig ist es mir, Kinder und Jugendliche für die Werte eines geeinten Europas zu sensibilisieren und ihnen die Bedeutung demokratischer Prozesse zu vermitteln. Das frühe Bewusstsein für den Wert der Demokratie und die Bereitschaft, an Wahlen teilzunehmen, sind aus meiner Sicht entscheidend.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich 1994 zum ersten Mal wählen durfte – bei der Abstimmung über den EU-Beitritt Österreichs. Damals studierte ich Rechtswissenschaften und belegte das Wahlfach EU-Recht, weil für mich undenkbar war, dass Österreich nicht Teil eines vereinten Europas ist. Meine Familie war über Jahrzehnte durch den Eisernen Vorhang getrennt, und ich erlebte auch die kommunistische Diktatur hautnah. Als auch die Tschechische Republik vor 20 Jahren der EU beitrat, erfüllte mich das mit großer Freude und Zuversicht.

Heute macht es mich traurig, die geringe Wahlbeteiligung bei der letzten EU-Wahl zu sehen und die oft ablehnende Haltung vieler Menschen gegenüber der EU – sowohl in Österreich als auch in den Ländern, die einst hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Ich bin überzeugt, dass die Stärkung der Demokratie und die Förderung von Herzensbildung entscheidend für eine positive Zukunft in einem vereinten Europa ist. Deshalb habe ich mir für die kommenden Jahre vorgenommen, einen spürbaren Beitrag zur Bewusstseinsbildung für die Europäische Idee zu leisten.