Drei Kandidaten für den Nationalrat, die Mitglieder in der Paneuropabewegung Österreich sind, diskutierten zur Wahl am 15. Oktober. Einig war man sich, dass der Reformbedarf in Österreich gross ist. Es wurde heftig, emotional, aber immer fair argumentiert.
Einig waren sich die drei Herren, dass der Wahlsieger am 15. Oktober die Liste Kurz bzw. die ÖVP sein werde. Nicht ganz einige waren sie sich, wie hoch der Vorsprung sein könnte. Dominik Oberhofer sprach aus der „Westsicht“ (er ist Tiroler) von der Möglichkeit, dass die Volkspartei das Potenzial für 40 Prozent habe. Klar war für alle drei Diskutanten, Platz 2 und 3 werden zwischen SPÖ und FPÖ ausgefochten, es könnte aber knapp werden. Nur Markus Tschank, der Kandidat der FPÖ, war optimistisch, dass seine Partei vorne liegen werde. Den Neos sagte man den Wiedereinzug voraus, bei den Grünen und der Liste Pilz war man sich nicht ganz sicher, ob es eine der beiden oder gar beide Gruppen schaffen. Allen anderen kandidierenden Listen gibt man wohl keine Chance, sie wurden auf die Schlussfrage der Diskussion nach einer Prognose für den Wahlausgang nicht einmal erwähnt.
Vier Paneuropäer (Mitglieder der Paneuropabewegung Österreich) kandidieren auf drei verschiedenen Listen für den Nationalrat (siehe dazu auch die Präsentation der Kandidaten auf den Seiten 18 und 19). Die Paneuropabewegung hatte sie zu einer Diskussion ins Paneuropa-Büro in der Neulinggasse gebeten. Der Veranstaltungsraum war voll wie selten, Generalsekretär Rainhard Kloucek moderierte. Gabriela Stimpfl-Abele, Vorsitzende des Kuratoriums, die auf der Wiener Landesliste für die Liste Kurz kandidiert, musste sich aufgrund einer beruflichen Verpflichtung im Noch-EU-Inland Großbritannien entschuldigen. Damit kam es zu einer Debatte zwischen Dominik Oberhofer (er ist Erstgereihter auf der Landesliste der Neos-Tirol und kandidiert auch auf der Bundesliste), Stefan Haböck (der Welser Gemeinderat kandidiert im Wahlkreis Hausruckviertel für die Liste Kurz) und Markus Tschank (der in Wien für die FPÖ kandidiert). Tschank ist erst vor kurzem der Paneuropabewegung beigetreten, Dominik Oberhofer war Paneuropa-Landesobmann in Tirol und auch Präsidiumsmitglied, Stefan Haböck gehört dem aktuellen Präsidium an und hat hier die Funktion des internationalen Referenten inne.
Als Stefan Haböck meinte, es gelte eine Neuauflage der Koalition zwischen den beiden bisherigen Regierungsparteien zu verhindert, stimmten nicht nur die beiden Mitbewerber zu, sondern auch das Publikum mit einem kräftigen Szenenapplaus. Außerdem wünscht sich Haböck ein Ergebnis, das eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ unmöglich macht. Angesprochen auf mögliche Koalitionen meinte der Welser Gemeinderat, aus ideologischen Gründen würde er eine Koalition mit Rot und Grün ausschließen, eine Koalition mit einer der beiden am Podium vertretenen Parteien oder auch mit beiden, könne er sich sehr wohl vorstellen. Ähnlich argumentierte Markus Tschank. Dominik Oberhofer dagegen meinte, mit der FPÖ könne es nicht gehen. Interessant war seine Begründung dafür. Die lag nämlich nicht in dem allgemeinen Vorwurf der Europafeindlichkeit oder eines rechten Gedankengutes, sondern in zwei Forderungen im aktuellen Wahlprogramm der Blauen: ein Mindestlohn von 1.750 Euro und eine Mindestpension von 1.200 Euro. Beides sei nicht finanzierbar, das eine nicht für die Unternehmen, das andere nicht für den Staat, schon derzeit würden 25 Prozent des Budgets für Pensionen ausgegeben. Hier müsse es erst einmal zu Reformen kommen, insbesondere bei den Luxuspensionen. Tschank widersprach, die Forderung nach dem Mindestlohn wurde bereits auf 1.500 Euro korrigiert (und der ist auch durch die Sozialpartner bereits ausverhandelt, Anmerkung).
Der Ärger mit der kalten Progression
Dass eine Zusammenarbeit zwischen Neos und FPÖ aber in einigen Fragen doch möglich ist, zeigte der Tag der Diskussion. Da hatten nämlich beide Parteien einen gemeinsamen Antrag an den Nationalrat zur Beseitigung der kalten Progression eingebracht. Die Abgeordneten der Regierungsparteien lehnten den Antrag allerdings ab, was in der Paneuropa-Diskussion zu Vorwürfen gegen die ÖVP führte, denn die Beseitigung der kalten Progression stehe sowohl im Regierungsprogramm als auch im aktuellen Wahlprogramm der Liste Kurz. Das war der Punkt, an dem sich Stefan Haböck mit der Frage auseinandersetzen musste, wie glaubwürdig denn nun die Versprechungen der ÖVP seien, alles anders und besser machen zu wollen. Die ÖVP sei doch seit 72 Jahren in der Regierung, entweder direkt oder indirekt über die Sozialpartner, nichts am derzeitigen Zustand des Landes sei ohne Mitwirken der ÖVP so gekommen.
Haböck argumentierte mit der Persönlichkeit von Sebastian Kurz. Der habe durch seinen Führungsstil und seine Politik in der Jungen ÖVP bewiesen, dass er für einen anderen Weg stehe. Man könne ihn nicht für die Fehler des alten Systems verantwortlich machen. Auch das engste Team um ihn sei nicht in diesem alten System verwurzelt.
Der Reformbedarf wurde von allen drei Podiumsteilnehmern als hoch bezeichnet, alle drei nannten ihn auch als eines der wichtigsten Motive für ihr eigenes Engagement. So meinte der Rechtsanwalt Markus Tschank, „es müssen mehr Leute in die Arena“. Auf vielen Ebenen gebe es Probleme, die FPÖ sei ein Reformmotor, das habe auch die blau-schwarze Regierung Schüssel gezeigt, wo die wichtigsten Reformvorhaben von der FPÖ gekommen seien. Tschank verwies auf offene Probleme auf Ebene der EU genauso wie auf Probleme, die sich durch die Zuwanderung – er machte einen konkreten Unterschied zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern – ergeben. „Die kulturelle Statik wird sich verändern.“ Österreich sei ein Höchststeuerland, die Belastung für Unternehmen und Bürger müssen gesenkt werden. Behauptungen, die FPÖ wolle aus der EU austreten verwies er in das Reich der Propaganda. Klar sei aber, seine Partei wolle eine Reform der EU, manche Kompetenzen müssten zurück in die Mitgliedsstaaten, eine Außen- und Sicherheitspolitik aber gehöre eindeutig auf europäische Ebene.
Stefan Haböck plädierte für eine vernünftige Steuergeldverwendung. Es sei unter Wolfgang Schüssel der ÖVP beigetreten, weil der eine klare Vision für Österreich hatte. Diesen Plan könne man auch bei Sebastian Kurz erkennen. „Ich bin politisch aktiv geworden, weil mich Menschen mit Visionen begeistert haben. Seit vielen Jahren kenne ich Sebastian Kurz, schon aus gemeinsamen Zeiten in der Jungen ÖVP, und schätze ihn seit damals sehr. Daher laufen wir gemeinsam. In Österreich und Europa gibt es zu viel Regulierung, wir müssen die Subsidiarität stärken.“
Österreich müsse ein erfolgreicher Teil in einem starken Europa sein, dieses Europa dürfe keinesfalls zentralistisch organisiert sein, auch Österreich nicht. Der Welser Gemeinderat betonte die Subsidiarität. Die Außen- und Sicherheitspolitik gehören auf die europäische Ebene, ebenso die Handelspolitik. Es dürfe nicht sein, dass lokale Parlamente Handelsverträge aus rein partei- und innenpolitischen Gründen torpedieren. Die Bürger bräuchten wieder mehr Freiheit, mehr Möglichkeiten eigene Entscheidungen zu treffen. Und jeder muss auch Fehler machen dürfen.
Betriebskontrolle: die wollen alles diktieren
Mit einigen Beispielen aus seiner betrieblichen Praxis als Hotelier erläuterte Dominik Oberhofer seine politischen Schwerpunkte. Kaum hatte er das Hotel von seiner Mutter übernommen, kam die erste GIS-Kontrolle. Ergebnis: Nicht 700 Euro seien monatlich an GIS-Gebühr zu bezahlen, sondern über 7.000 Euro. Das nächste Beispiel war eine Betriebskontrolle – „die wollen alles diktieren“ – und die Ausbildung zum Brandschutzexperten, die bis ins Detail geregelt erläuterte, welche der zig verschiedenen Feuerlöscherarten für welchen Bereich im Hotel eingesetzt werden müssen, und ihm mehrere Tage gekostet habe. Kaum war er Landessprecher der Neos in Tirol, stand die Finanzpolizei im Hotel – mit Maschinenpistolen. Gäste, die beim Essen saßen, riefen die Polizei: das Hotel sei überfallen worden. Als er den zuständigen Offizier auf das martialische Auftreten ansprach meinte dieser: Jetzt sind Sie eine öffentliche Person, da kann Sie jeder anzeigen. Deshalb erzähle er diese Geschichte auch bei allen Veranstaltungen, bisher sei er von der Finanzpolizei nicht mehr kontrolliert worden.
Aber als Unternehmer und Familienvater beginne man in solchen Situationen über das System in dem Land nachzudenken. Die Bürger und Unternehmer würden von diesem System ausgesaugt, und damit das falsche System gefüttert. Am Beispiel Schule, mit den vielen Abgängern die nicht sinnerfassend lesen können und damit keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben, erläuterte er das Versagen. „Da wird die Generation AMS produziert.“ Oberhofer erinnerte an den Wahlkampf 2013, als Michael Spindelegger für die ÖVP mit dem Slogan angetreten ist „Wirtschaft entfesseln“. Das Ergebnis war die Einführung der Sektsteuer. Ursprünglich in der Monarchie erfunden um die Flotte zu finanzieren, richte sie nun nur mehr Schaden an. Für den Tourismus gab es eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, was wiederum die Bürokratie in diesem Wirtschaftszweig erhöhte.
Auf die Vorstellungen für das gemeinsame Europa angesprochen bezeichnete er Otto von Habsburg als ein politisches Vorbild. Vieles was im Neos-Programm stehe habe Otto von Habsburg schon gefordert. Als Beispiel nannte er den Rat der Europäischen Union, der das eigentliche Problem sei. Hier sitzen nämlich nicht nur Regierungschefs, sondern gleichzeitig auch Parteichefs mit ihren eigenen Interessen. Deshalb müsse der Rat zu einer Zweiten Kammer gemacht, das Europäische Parlament dafür aufgewertet werden. Die Kommission gehöre auf 15 Mitglieder verkleinert. Die Außen- und Sicherheitspolitik gehört auf die europäische Ebene.
Visegrad und Kerneuropa
Hier herrschte also Konsens unter den drei Diskutanten, die Außen- und Sicherheitspolitik ist eindeutig eine europäische Angelegenheit. Nicht ganz so einig war man sich in anderen Punkten betreffend Europa. So meinte Markus Tschank, man fahre über die vier Visegrad-Staaten drüber, sie seien praktisch von Entscheidungen ausgeschlossen. Stefan Haböck entgegnete mit einem Zitat des slowakischen Premierministers Robert Fico, der sein Land als Teil eines Kerneuropa sehe. Tschechien mache eine sehr vernünftige Wirtschaftspolitik, Ungarn stimme in 98 Prozent der Fälle im Rat mit, nur Polen schließe sich momentan selber aus. Er betonte die vier Grundfreiheiten als Grundlage für die europäische Einigung. Auch er plädierte für die Aufwertung des Europäischen Parlaments als echte Bürgerkammer.
Markus Tschank sprach sich klar gegen die Transferunion auf europäischer Ebene aus. Dadurch würde das Gleichgewicht kippen, was wiederum dazu führe, dass die EU auseinanderdrifte. Dabei kritisierte er auch die Politik Deutschlands und merkte an: „Am deutschen Wesen kann Europa nicht genesen!“ Die EU solle weniger machen, das aber dafür effizienter. Neben der schon genannten Außen- und Sicherheitspolitik plädierte er für den Ausbau des Binnenmarktes.
Das Problem mit Putins Russland
Der heftigste Teil der Diskussion war dann – durchaus erwartet – jener, als es um das Verhältnis zu und mit Russland ging. Die FPÖ hat ein Abkommen mit der Partei von Vladimir Putin, und ist für eine freundliche Politik gegenüber dessen Regierung bekannt. Kurz vor der Diskussion war die Online-Version eines „Presse“-Interviews mit Hans Peter Haselsteiner erschienen, in dem dieser meinte, man hätte auf die Osterweiterung der EU vergessen und stattdessen Russland integrieren sollen. Haselsteiner ist als großer Spender für die Neos bekannt.
Markus Tschank argumentierte mit Michael Gorbatschow, der geschrieben habe, dass man im Zuge des Falls des Eisernen Vorhanges und der deutschen Wiedervereinigung den Russen versprochen habe, die Nato werde sich nicht nach Osten ausdehnen. Er kritisierte, die internationale Politik werde von den USA gemacht, die Einmischung der westlichen Geheimdienste in der Ukraine, die zum Ende der Regierung Janukowitsch geführt habe, sei ein Faktum, und die Krim sei nun einmal russisch. Er plädierte für ein freien Handel mit Russland.
Der Widerspruch war heftig. Dominik Oberhofer machte mit einem Satz klar, dass die Wirtschaftsinteressen von Haselsteiner nicht Neos-Linie sind. Gegen ein Freihandelsabkommen mit Russland sei grundsätzlich nichts einzuwenden, aber eben nicht mit dem Regime, das heute in Russland herrscht. Und weil in Tirol gerade die Olympia-Bewerbung von Innsbruck diskutiert wird, erinnerte er an die Spiele im russischen Sotchi. Im Schatten der Spiele habe Putin den lange geplanten Angriff auf die Ukraine begonnen.
Stefan Haböck betonte zu dem Vorwurf, die Nato hätte sich entgegen den Versprechungen an Russland nach Osten ausgedehnt, dass nicht die Nato sich ausgedehnt habe, sondern die Völker Mitteleuropas aus einer „sozialistisch-faschistischen Diktatur geflohen sind“. Die mittlerweile 11.000 Toten in der Ukraine habe eindeutig Moskaus mit seiner Aggression zu verantworten. Er selbst wolle weder auf der Seite der USA noch auf der Russlands stehen, sondern setze sich für ein starkes Europa ein.
Neben weiteren Themen wie etwa der Position zu den Einpersonen-Unternehmen, die durch den Gesetzgeber unter den Verdacht der Scheinselbständigkeit gestellt werden, oder der Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern – in beiden Fragen zeigten sich die drei Diskutanten mit der gegebenen Situation unzufrieden, wenn auch die Kritik in unterschiedlicher Dynamik vorgebracht wurde – kam in der Europafrage – von einem Gast angeschnitten – die auffällige Wortwahl von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der die Bürger der Nachbarländer als EU-Ausländer bezeichnete, zur Sprache, und auch die Bedeutung des freien Mandates.
Die Bedeutung des freien Mandats
Anlass dafür war ein Bericht des Moderators von einem Gespräch mit einem nun nicht mehr kandidierenden Abgeordneten, der meinte: Dass Mandatare der Oppositionsparteien im Parlament kaum etwas erreichen können, habe er erwartet, dass man aber in einer Regierungspartei praktisch nur eine Handhebemaschine sei, habe ihn doch enttäuscht. Markus Tschank argumentierte hauptsächlich juristisch. Das freie Mandat sei im Artikel 56 BVG geregelt und stehe nicht im Widerspruch zum Klubzwang. Die Regelung stelle nur sicher, dass ein Mandatar aufgrund der Ausübung eines freien Mandates dieses nicht verlieren dürfe. Stefan Haböck meinte, er sei in der Partei ohnehin dafür bekannt, dass er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halte, allerdings müsse man sich in vielen Fällen wohl auf die Expertise der anderen verlassen.
Die deutlichste Kritik an der gelebten Praxis kam von Dominik Oberhofer. „In Wirklichkeit regieren die Sozialpartner, die Kammern.“ Um das freie Mandat zu stärken müssen unter anderem die Wahlkreise besser organisiert werden. Aufgrund der Zusammenarbeit mit der FDP in Deutschland könne man klar sehen wie die Position der Mandatare durch die Direktwahl von Mandaten gestärkt werde. Deshalb plädierte er auch für eine Änderung des Wahlrechtes hin zu einer Direktwahl der Mandatare.