Das Europäische Parlament ist die einzige direkt gewählte Institution der Europäischen Union. Dieses Faktum ist vielen ein Dorn im Auge. Wer das Europäische Parlament schwächen oder abschaffen will, schwächt die demokratische Mitentscheidung, die Regionen, den direkt gewählten Mandatar, die Subsidiarität. Ein Kommentar von Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropabewegung Österreich.
Direkt gewählte Abgeordnete aus den hunderten europäischen Regionen entscheiden bei europäischen Themen. Mit der stärkeren Machtfülle und Entscheidungskompetenz, vor allem seit dem Vertrag von Lissabon 2009, steht das Parlament auf Augenhöhe mit den Regierungen. Zwischenstaatliche Abmachungen von Regierungen werden dadurch schwieriger. Direkt ihrem Wahlkreis verantwortliche Mandatare verhandeln nun mit. Das gibt Regionen mehr Einflussmöglichkeit als sie es oft auf nationaler Ebene haben.
Die Besonderheit des Europäischen Parlaments ergibt sich aus dem Aufbau der EU
Das Fehlen einer „europäischen Regierung“ und die besondere Art und Weise der Gesetzgebung (Trilog) führen dazu, dass Abgeordnete nicht in „Regierungsfraktion“ und Opposition unterteilt sind. Es gibt keine fixen Mehrheiten. Zusätzlich gestärkt wird der einzelne Abgeordnete noch durch das Fehlen von Fraktionszwang.
Die Stärke der Abgeordneten ist die Kompromissbereitschaft
Die Mischung aus hunderten europäischen Regionen, unterschiedlich großen Staaten, hunderten Parteien, fehlendem Fraktionszwang, Fehlen von Regierung und Opposition und Rolle des Abgeordneten als Berichterstatter oder Koordinator zeigt, dass in der Arbeit in Straßburg und Brüssel vor allem Kompromissbereitschaft gefragt ist.
Man kann nichts „durchdrücken“. Man kann seine Meinung vertreten, muss dabei auch immer Verständnis für die vielfältigen geographischen, regionalen, soziologischen oder politischen Hintergründe der Kolleginnen und Kollegen im Auge behalten. Nicht der Stärkere aus dem größten Land gewinnt, sondern der, der es schafft, sich eine Mehrheit zu verhandeln und Handschlagqualität besitzt.
Demokratie besteht immer auch aus Kompromissen
Kompromisse haben schlechten Ruf. Völlig zu Unrecht. Innerhalb von Regierungskonstellation auf nationaler Ebene müssen genauso Kompromisse eingegangen werden wie in Gemeinderäten. Wenn wirklich einer alleine ohne Einbindung und Anhörung anderer Meinungen entscheiden würde, wäre es eine Diktatur. Diese Form hat Europa oft genug erlebt. Nie wieder soll es dazu kommen.
Kompromisse entstehen durch einen Meinungsaustausch, der auf Respekt basiert. Hier kann ein Abgeordneter seine größte Wirkmacht entfalten. Wenn er es schafft, Argumente zu hören, abzuwägen und zu überzeugen.
Das transparenteste Parlament Europas
Das Europäische Parlament kann für sich nicht nur in Anspruch nehmen, die einzige direkt gewählte Institution der Europäischen Union zu sein. Es ist auch die transparenteste. Ausschusssitzungen und Plenarsitzungen sind öffentlich und werden live übertragen. Unterlagen und Dokumente die debattiert und abgestimmt werden sind online publiziert. Es ist möglich als Besucher direkt in den Ausschusssitzungen und Plenarsitzungen zu sitzen und zuzuhören. Die Abstimmungsergebnisse und namentlichen Resultate sind für Bürger abrufbar.
Sprachenvielfalt ist Teil der europäischen Kultur
Und noch eine Besonderheit unterstützt die Transparenz: Abgeordnete haben das Recht, in ihrer Muttersprache zu reden, Bürger können in allen 24 Amtssprachen der EU Anfragen stellen und haben das Recht, dass in ihrer Sprache geantwortet wird. Transparenz trifft hier auf Pflege der Sprachenvielfalt in Europa. Die Verwendung von 24 Sprachen hat natürlich den Preis eines großen Stabes an Dolmetschern. Sprachenvielfalt ist aber einer der größten Schätze Europas. Darauf können Europäer auch stolz sein und dies gehört jedenfalls bewahrt. Auch hier wieder ein Verweis auf nationalen Chauvinismus welche Sprache denn die wichtigere wäre: Einsprachigkeit wäre nicht nur ein großer Verlust, sondern de facto auch die Abschaffung unserer europäische Kultur.
c Beitragsbild: Europäisches Parlament