Die Parlamentarische Versammlung des Europarates stimmt für ein Ende der Sanktionen gegen Russland, und gibt damit seine ursprüngliche Legitimation auf. Ein Kommentar von Karl von Habsburg.
Es kam wie zu erwarten. Bereits vor einem Monat hatten die Außenminister der Staaten des Europarates empfohlen, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates – die übrigens auf die von Paneuropa-Gründer Richard Coudenhove-Kalergi einberufene Parlamentarierversammlung zurückgeht – ist dieser Empfehlung nun Anfang der Woche gefolgt. Gleichzeitig hat die Parlamentarierversammlung des Europarates die Geschäftsordnung geändert. Sanktionen können nun nicht mehr selbstständig beschlossen werden, sondern nur mehr mit dem Ministerkomitee. Die Parlamentarier haben sich damit freiwillig in Abhängigkeit zu ihren Regierungen begeben.
Nach der militärischen Besetzung und anschließenden, dem Völkerrecht widersprechenden, Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014, hatte die Parlamentarierversammlung des Europarates den russischen Mitgliedern das Stimmrecht entzogen. Die Maßnahme war aus dem Selbstverständnis des Europarates, der einen seiner Schwerpunkte in der Einhaltung der Menschenrechte sieht, völlig logisch. Russland boykottierte danach nicht nur die Sitzungen, sondern beendete auch seine Zahlungen an den Europarat.
Mit der nunmehrigen Entscheidung, dem Druck Moskaus nachzugeben, hat der Europarat erstens zugegeben, von Russland erpressbar zu sein. Zweitens hat sich damit jene Geschichte bewahrheitet, die mein Vater – in Berufung auf ein Gespräch mit einem russischen General – gerne über das Verhalten Europas nach einer militärischen Aggression Russlands gegen ein Nachbarland erzählte: erst wird es wilden Protest geben, inklusive einer rhetorischen Verurteilung. Danach ringt man sich vielleicht sogar zu weichen Sanktionen durch. Es wird dann aber nicht lange dauern, bis man zur Tagesordnung übergeht, die Sanktionen beseitigt, und damit die russische Eroberung akzeptiert.
Im konkreten Fall hat es sogar fünf Jahre gedauert, bis man zur Tagesordnung zurückgekehrt ist. Moskau nutzt die Schwäche seiner Partner wiederum geschickt aus. Denn unter dem Deckmantel des Europarates werden auch solche Personen an den Versammlungen teilnehmen, die aufgrund der EU-Maßnahmen mit einem Einreiseverbot in die EU belegt sind. Dass mit der Aufhebung der Sanktionen sämtliche Grundprinzipien des Europarates und auch die Glaubwürdigkeit einer europäischen Politik über den Haufen geworfen werden, scheint das Gewissen jener Parlamentarier, die nun nachgegeben haben, genauso wenig zu beunruhigen wie das der Außenminister.
Dass auch die österreichischen Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von ÖVP, SPÖ und FPÖ für die Aufhebung der Sanktionen gestimmt haben, zeigt nur, wie ernst das Gerede von Menschenrechten und Völkerrecht auch hier genommen wird.
Der Artikel erschien ursprünglich auf der Seite von Karl von Habsburg.