Welche Lehren ziehen wir aus der „Corona“-Krise?

Corona hat Schwächen der Politik aufgezeigt und Begehrlichkeiten zu mehr Überwachung geweckt. Vorsicht ist geboten. Von Rainhard Kloucek, Generalsekretär Paneuropabewegung Österreich.

Nein, es gibt keine Verschwörung von Bill Gates, wonach er Covid-19 in die Welt gesetzt hätte, um dann entweder allen Leuten Mikrochips zu implantieren, oder die Menschen unter Kontrolle zu kriegen, oder schlicht und einfach nur an Impfstoffen, in deren Erforschung er investiert hat, zu verdienen. Spenden an die Pharmaforschung sind Teil des gesunden Geschäftsempfindens von reichen Leuten, die gleichzeitig Anteile von Pharmafirmen besitzen. Krankheiten wird es immer geben, und damit werden wir nach Medikamenten suchen.

Nein, es gibt auch keine Verschwörung von Sebastian Kurz, Viktor Orban, Boris Johnson (und wem auch immer noch), die uns eine Pandemie vorgaukeln, um so eine neue Diktatur zu etablieren. Es gibt wohl auch keine Verschwörung aus China, wonach die dortige kommunistische Regierung das Virus absichtlich freigelassen hat, um auf diesem Weg die Weltherrschaft an sich zu reißen. Übrigens, man kann derartige Verschwörungstheorien beliebig mixen und ergänzen. Notfalls ist auch nur 5G schuld an allem.

Was es aber ganz sicher gibt sind kluge Menschen, die mit Gespür, Wissen und Können die Pandemie zu ihren Gunsten nutzen werden. Egal ob das nun kluge Geschäftsleute sind, die in Zukunftsfirmen investieren, oder kluge Politiker, die Möglichkeiten finden ihre strategische Positionierung zu verbessern. Diese Menschen wären wohl nicht in der Position, in der sie sind, wenn sie nicht entsprechende Talente hätten. In China regiert die kommunistische Partei. Der Kommunismus ist eine totalitäre Ideologie, der die Weltherrschaft zum Ziel hat. Es ist also auch logisch, dass China die Pandemie nutzen wird, um den ideologischen Zielen näher zu kommen. Auch die Initiative zur neuen Seidenstraße ist unter diesem Gesichtspunkt zu sehen.

Das totalitäre China als Vorbild

Allerdings haben wir im Zuge der Corona-Pandemie und ihrer Bekämpfung einige Dinge gesehen, die Anlass zur Sorge geben und damit ein Appell an das kritische Gewissen sind. Nach allem was wir wissen, ist das Virus Covid-19 erstmals in China aufgetreten. China hat auf den Ausbruch reagiert wie totalitäre Staaten auf derartige Ereignisse reagieren. Erst einmal wird geleugnet und vertuscht. Wenn dann der Ausbruch nicht mehr zu leugnen ist, weil in einer globalisierten Welt die totale Abschottung eines Landes kaum mehr möglich ist, kommt wieder die für totalitäre Systeme typische Reaktion: zusperren und dicht machen. Natürlich besteht die Gefahr, dass wir – da China eben ein totalitäres System ist – nie die ganze Wahrheit erfahren werden. Das sollte aber nicht der Anreiz sein, in Verschwörungstheorien abzugleiten.

Chinas Einfluss auf die WHO

China hat selbstverständlich seine politische Macht genutzt, um auf Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO Einfluss zu nehmen. Die WHO hat Chinas Spiel zu lange mitgespielt und sich damit sicher nicht mit Ruhm bekleckert. China hat dafür gesorgt, dass Taiwan nicht Mitglied der WHO sein darf, obwohl es wohl besser gewesen wäre, hätte die WHO auf Taiwan und nicht auf China gehört. Dass auch EU-Staaten diese Politik Chinas nach wie vor unterstützen, ist leider auch ein Faktum.

Tritt eine gefährliche Seuche auf, dann schaut die Welt normalerweise auf die Großmächte, und damit auf die Reaktion der USA. Wenn wir einen kurzen Rückblick auf den Ebola-Ausbruch noch in der Zeit von Präsident Obama werfen, dann werden wir eine radikale Wandlung in der Politik der USA feststellen. Beim Ausbruch von Ebola vor einigen Jahren haben die USA sofort reagiert und das Heft des Handelns in die Hand genommen. In kurzer Zeit wurden Spezialisten nach Afrika geschickt, um alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Nun ist Ebola nicht mit Covid-19 zu vergleichen, die Reaktion der USA unter Präsident Trump bei der Verbreitung von Covid-19 ist aber das Gegenteil der Reaktion auf Ebola unter Präsident Obama.

Die schwache Reaktion der USA

Obwohl die USA nach wie vor Weltmacht Nummer 1 sind, und Präsident Trump genau diese Position auch für seine Regierungszeit in Anspruch nimmt, war seine Antwort auf Corona das Gegenteil einer verantwortungsvollen Ansage der ersten Weltmacht: das geht uns nichts an. Welche Folgen diese Reaktion auf die Zukunft der Weltordnung haben wird, kann wohl noch nicht klar gesagt werden. Faktum ist, dass China in der gesamten Corona-Krise mit einer klaren und nachvollziehbaren Strategie gehandelt hat, während die Politik der USA eher erratisch-egoistisch war.

Mindestens genauso egoistisch war die Reaktion der europäischen Länder. Bereits Ende Jänner Anfang Februar, als die ersten vereinzelten Fälle in europäischen Ländern auftauchten, ergriff die EU-Kommission die Initiative, um die EU-Länder auf die bevorstehende Pandemie aufmerksam zu machen. Die Reaktion aus den Nationalstaaten war erschreckend naiv. Wir haben alles unter Kontrolle, so die Antwort aus den Hauptstädten.

Damals hat man noch Hilfslieferungen nach China geschickt. Offenbar in der Annahme, dass der totalitäre Staat alles unter Kontrolle bekommen würde.

Der Egoismus der Nationalstaaten

Wochen später, als die Bilder aus der Lombardei, mit den Meldungen über einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems, die Medien dominierten, reagierte jedes EU-Land nach dem gleichen Muster: Rette sich wer kann. Die Grenzen wurden geschlossen. Ja, man versuchte sogar sich gegenseitig notwendige medizinische Ausrüstung abspenstig zu machen. Seit dem Ausbruch der serbischen Eroberungskriege nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens war die Schwäche der europäischen Nationalkleinstaaterei nicht mehr so offensichtlich geworden. Damals allerdings bewiesen die USA letztlich noch Führungsstärke.

China und Russland nutzen die Schwäche Europas (und die Selbstisolation der USA) geschickt. Nachdem die EU-Mitgliedsländer die Initiativen der Kommission zuerst abgelehnt hatten und noch Lieferungen von Schutzausrüstung nach China durchgeführt hatten, wurde allmählich die Lage in einigen EU-Ländern brisant. Der Krisenmechanismus der EU war nicht aktiviert worden. Notwendige Schutzausrüstung wurde knapp, die gemeinsame Beschaffung kam erst langsam in Fahrt. Russland, von wo es nur spärliche Informationen über den Verlauf der Pandemie gibt, inszenierte eine spektakuläre Hilfslieferung nach Italien. Russische Militärlastwagen mit der Aufschrift „Mit Liebe von Russland für Italien“ fuhren durch das halbe Land. Die Bilder dominierten über Tage die europäischen Medien.

Moskau inszenierte eine Hilfslieferung

Die Berichte über die sinnlose Aktion Moskaus wurden dann weniger stark verbreitet. Sehr schnell stellte sich heraus, dass die russische Hilfe keine wirkliche Hilfe, sondern eben nur Inszenierung war. Die gelieferten Hilfsgüter waren Großteils nicht geeignet für die Bekämpfung der Pandemie. Moskau hatte eine ABC-Abwehreinheit des Militärs geschickt. Die Einheit war zum Einsatz auf einem Schlachtfeld konzipiert worden, auf dem atomare, biologische oder chemische Waffen eingesetzt wurden. Für die Eindämmung der Covid-19 Pandemie war sie nicht aufgestellt. Aber die Bilder erzielten ihren Propaganda-Zweck.

Ähnlich geschickt agierte China. Nachdem die Infektionszahlen im Ursprungsland der Pandemie zurückgingen, schickte China Schutzausrüstung nach Europa. Unter anderem nach Österreich, wobei ein Teil der Ausrüstung für Südtirol bestimmt war. Bundeskanzler Sebastian Kurz bedankte sich auf Twitter überschwenglich für die Großzügigkeit Pekings. Pikant an der Lieferung war, dass eine Überprüfung ergab, dass die Schutzmasken nicht den Qualitätskriterien entsprachen, also in Wirklichkeit gar keine Schutzausrüstung waren.

Die Meldungen über den Dank an China gingen durch alle Medien, die Berichte über die Sinnlosigkeit der Lieferung waren spärlich.

Mindestens genauso pikant ist die Unterwürfigkeit Europas gegenüber China bei den vorangegangenen Lieferungen an China. Im Gegensatz zu den Lieferungen aus China, die breit in den Medien mit Regierungsinformationen berichtet wurden, waren die Lieferungen nach China nicht wirklich Teil der Öffentlichkeitsarbeit der europäischen Regierungen. China hatte damals darum gebeten, die Aktion nicht breit zu treten, damit China sein Gesicht nicht verliere. Allein dieses Beispiel zeigt die strategische Vorgehensweise Chinas und offenbart die Krähwinkel-Mentalität der europäischen Nationalstaaten.

Einseitige Berichterstattung

Die Bekämpfung der Pandemie hat aber auch gezeigt, was alles an Einschränkungen möglich ist, und wie unterschiedlich Maßnahmen nicht nur gesetzt sondern auch kommentiert wurden. Allgemein bekannt ist die Vorgangsweise in Ungarn, mit einer Notstandsgesetzgebung, die dem Ministerpräsidenten das Regieren (soweit es um die Bekämpfung der Pandemie geht) per Dekret ermöglicht. Von einer Ausschaltung des Parlamentes wurde geredet, aber kaum darüber berichtet, dass es doch Sitzungen des ungarischen Parlaments gab. De facto keine Berichterstattung gab es in den deutschsprachigen Medien über Spanien. Dort nutzte der Ministerpräsident (ein Sozialist) die Pandemie für Zentralisierungen und regieren ohne Parlament. Die Allmachtansprüche des Regierungschefs führten sogar zu einer Auseinandersetzung mit dem König, der sich weigerte, Dekrete zu unterschreiben. Der Aufschrei blieb allerdings aus.

Das politische Spiel mit der Angst

Österreich reagierte im Vergleich zu anderen Ländern eher moderat. Zwar ließen sich Regierungsmitglieder dazu hinreißen Ausgangsbeschränkungen zu verkünden, die gar nicht so in den Gesetzen bzw. Verordnungen standen. Aber es kam eben nicht zu Maßnahmen wie in Spanien, wo die Bürger de facto die Häuser nicht verlassen durften, oder in Frankreich, wo nur ein Familienmitglied die Wohnung – begrenzt auf eine Stunde – zum Einkaufen verlassen durfte. Und dafür musste ein Ausgangsschein ausgefüllt werden, der wohl absichtlich an die Ausgangsscheine während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg erinnert. Der französische Präsident Macron nutzte des öfteren den Begriff „Krieg“. Ein Begriff der logischerweise Angst erzeugt. Dieses schüren von Angst war auch Teil der Strategie der österreichischen Bundesregierung.

Anspielungen auf niedrige Instinkte

Ein überwiegender Großteil der Bürger Europas hat sich diszipliniert an die Vorgaben gehalten, weil klar war, dass sie erstens dem Schutz der Gesundheit vor einer bis dahin unbekannten Krankheit dienen, und zweitens begrenzt sind. Der gesamte Verlauf des zugesperrten öffentlichen Lebens hat aber auch einige Auswirkungen gezeigt, die für die Demokratie bedenklich sind. So mancher Politiker hat mit den niedrigen Instinkten der Blockwartementalität und des Stasispitzeltums gearbeitet. Manche Bürger haben diese dunkle Seite ihrer Persönlichkeit auch mit Begeisterung hervorgekehrt und denunziert.

Die Frage nach der Kreditkarte

So manche Geschäfte haben versucht ihre Kunden dazu zu bringen, nur mehr elektronisch zu zahlen. Wenn es also so einfach ist, das Bargeld abzuschaffen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn solche Pläne weiterhin gewälzt werden. Und schließlich gab es auch Diskussionen über Apps, die auf dem Smartphone installiert, dazu dienen sollten, Kontakte mit möglichen Infizierten zu identifizieren.

Auch wenn Experten die Meinung vertreten, dass die vom Roten Kreuz entwickelte App nicht zur Überwachung geeignet sei, und tatsächlich nur den Anwender warne, wenn er Kontakt mit einer infizierten Person hatte, so gingen die Diskussionen darüber zum Teil in bedenkliche Richtungen. Während manche Politiker von einer verpflichtenden Installation dieser App für alle Bürger (möglichst in der ganzen EU) sprachen, wollten andere nur eine freiwillige Anwendung, allerdings mit Einschränkungen für Menschen, die die App nicht installieren wollten. Man könnte für Nichtinstallierer beispielsweise die Reisefreiheit einschränken oder Zugänge zu bestimmten Orten einschränken.

Mit solchen Ideen allerdings ist man dem Einstieg in das social credit System des totalitären China sehr nahe. Die Installation der App würde staatlich verordnete Privilegien ermöglichen. Das totalitäre China sollte aber kein Vorbild für eine Demokratie sein, die von ihren Bürgern selbstverständlich Eigenverantwortung verlangen darf.

Kapazitäten für Krisen wurden abgebaut

Was auch offensichtlich wurde, ist die Tatsache, dass die Politik in Europa das Vorsorgeprinzip völlig aus dem Blickwinkel verloren hatte. Im Kalten Krieg hatten alle freien Länder Kapazitäten für einen Krisenfall aufgebaut. Meist beim Militär.

Diese Kapazitäten wurden in den vergangenen 30 Jahren komplett abgebaut. Als Reaktion darauf werden nun Stimmen laut, die mit planwirtschaftlichen Konzepten die Folgen der Pandemie bekämpfen wollen.

Für Europa wird es nun entscheidend sein, nicht in diese sozialistische Falle zu tappen. Strategische Bevorratung funktioniert in einer freien Marktwirtschaft besser als in einer sozialistischen Planwirtschaft. Das Gesundheitssystem auch.

c Beitragsbild: EU 2020